Der Blockchainwelt Wochenrückblick 3. Juli 2022
Während des anhaltenden Bärenmarktes geraten einige Krypto-Unternehmen in Schwierigkeiten und stehen vor der Insolvenz. Zugleich wächst die Regulierung der Kryptowelt weiter. Die EU finalisiert zwei einschneidende Gesetze.
Das Wichtigste in Kürze
- EU verabschiedet TFR und MiCA
- praktisches Non-Custodial Wallet-Verbot in der EU vom Tisch
- Coinbase setzt harte Überwachung um
- Celsius, BlockFi, Voyager und 3AC sind insolvent
Travel Rule: In den Niederlanden beginnt die Dystopie
Die berüchtigte Travel Rule der FATF nimmt seit Längerem erste Formen an. Schon im März berichtete Blockchainwelt über erste Einschränkungen für Nutzer aus Kanada, Singapur und Japan.
Auffällig ist dabei die Involvierung einer bestimmten Krypto-Börse: Das US-Aktienunternehmen Coinbase tritt als besonders willfährig auf. Schon vor einer gesetzlichen Notwendigkeit schränkt man die eigenen Nutzer ein.
In der Krypto-Szene konnte Coinbase einen entsprechend schlechten Ruf bereits festigen. Die Handelsplattform setzt jede Regel besonders streng um. Durch die Einschränkungen wird das Erlebnis nicht nur weniger komfortabel – auch die Sicherheit sensibler Daten sinkt durch zunehmende Akkumulation.
Inzwischen sind Niederländer von einer besonders strengen Auslegung der Travel Rule betroffen – von der Geldtransferverordnung (TFR) der Europäischen Union, durch die sie Sender und Empfänger eines Krypto-Transfers genau angeben müssen.
Gesetzlich hat die TFR noch keine Gültigkeit. Auch ähnliche eigene Gesetze bestehen in den Niederlanden nicht. Coinbase setzt die TFR dennoch um.
EU finalisiert TFR und MiCA
Da die enorme Überwachung, welche nun niederländische Coinbase-Nutzer trifft, auf einem EU-Gesetz fußt, könnten diese Maßnahmen auch bald für deutsche Krypto-Investoren gelten.
Bisher lässt sich die Problematik einfach umgehen, indem man Coinbase abschwört und stattdessen ganz einfach eine andere Krypto-Börse verwendet. Wie lange das noch so bleibt, ist fraglich.
Ob die Gesetze der EU letztlich ihre geplante Funktion erreichen, ist ebenfalls fraglich. Da die Bestimmungen nur für Unternehmen gelten, die ihren Sitz innerhalb der EU haben oder in diesem Rechtsraum lizenziert sind, ist denkbar, dass Plattformen außerhalb der EU diese gar nicht anwenden.
Ob die EU diesen eine Geschäftstätigkeit mit EU-Bürgern ohne Einhaltung der TFR untersagt, ist aktuell unklar. Seit Entstehung des Gesetzes warnten einige Experten jedoch vor einer regionalen Benachteiligung der Kryptobranche.
Sicher ist allerdings, dass die Travel Rule in vielen Legislationen der Erde früher oder später Anwendung findet. Viele Unternehmen außerhalb der EU sind also irgendwann auch betroffen.
Vor wenigen Tagen meldete Großbritannien, dass man die Umsetzung der Travel Rule im Krypto-Sektor ablehnt. Damit stellt sich das erste Land aktiv gegen die Überwachung von Kryptotransfers.
Non-Custodial Wallet-Verbot in der EU abgewendet
Mit der TFR finalisierte die EU am 30. Juni die Transfer of Funds Regulation und damit die Grundlage zur umfassenden Überwachung der Krypto-Nutzer. Zuvor kam es jedoch noch einmal zu Veränderungen, die für die Szene überaus positiv zu werten sind.
Noch im März berichtete Blockchainwelt vor einem möglichen praktischen Verbot von Non-Custodial Wallets. Die EU forderte zwar in keinem Gesetzestext deren Verbot – das absolut unrealistisch wäre – sondern eine vollständige Identifizierung derselben, sofern diese mit Krypto-Dienstleistern agieren.
Da man eine Non-Custodial Wallet unmöglich identifizieren kann, hätte man die Dienstleister praktisch zu einem Ausschluss im Umgang mit ihnen gezwungen – eine Maßnahme, die dann doch einem Verbot gleichgekommen wäre.
Letzte Veränderungen an TFR wenden ein solches Verbot jedoch ab. Zwar möchte man sämtliche Transaktionen mit Kryptowährungen, die von Dienstleistern ausgehen, überwachen und aufzeichnen, die Verifizierung einer selbstverwalteten Wallet erfolgt jedoch erst ab einem Betrag von 1.000 Euro.
Wie genau eine solche Verifizierung dann aussieht, definiert die EU nicht. Da es keinen Weg gibt, diese Forderung umzusetzen, müsste man wahrscheinlich auf die Aussagen der Kunden vertrauen, sodass die gesamte Maßnahme letztlich wirkungslos ist.
EU versucht Krypto-Regulierung durch MiCA
Mit Markets in Crypto Assets (MiCA) finalisiert die EU zusätzlich den Versuch, den Kryptomarkt zu regulieren. Ziel dessen ist unter anderem eine stärkere Aufsicht von Stablecoins.
Deren Emittenten benötigen dann eine Niederlassung innerhalb der EU und müssen die Hinterlegung des Stablecoins nachweisen können. Diese Bestimmung ist eine der wenigen, welche sich tatsächlich in die Realität umsetzen lassen.
Große zentralisierte Stablecoins wie Tether und der USD Coin werden sich diesen Bestimmungen höchstwahrscheinlich beugen müssen. Viele weitere Bestimmungen innerhalb von MiCA verfehlen einen realistischen Ansatz. Algorithmische Stablecoins unterliegen offiziell den gleichen Regeln wie ihre zentralisierten Mitbewerber.
Aufgrund ihres dezentralen Charakters ist es jedoch unmöglich, sie zur Umsetzung von Gesetzen zu zwingen. Eine Regulierung bezüglich NFTs existiert bislang nicht. Politiker deuteten jedoch an, dass man dies nachholen könne.
Das gilt allerdings nicht für fraktionalisierte NFTs. Diese möchte die EU beaufsichtigen. Das Problem: Deren Handel spielt sich oft im DeFi-Bereich ab, auf den keine Gesetzgebung Zugriff hat. Auch einfache NFTs entziehen sich staatlichen Regularien. Lediglich die jeweiligen zentralen Marktplätze wie OpenSea können zum Opfer von Restriktionen werden.
Das EU-Parlament verabschiedete TFR und MiCA am 30. Juni 2022. 18 Monate nach einer kommenden Bestätigung treten die beiden Gesetze in Kraft. Danach existiert eine Anpassungsfrist von weiteren 18 Monaten.
Celsius, BlockFi, Voyager, 3AC – die Verlierer des Bärenmarktes
Allein seit April verlor der Bitcoin die Hälfte seines Marktwertes. Auch der restliche Kryptomarkt sackte deutlich ab. Für mehrere Unternehmen sind die Verluste mittlerweile zu stark – sie sind von der Insolvenz bedroht.
Dazu gehören die Krypto-Lending Plattformen Celsius Network und BlockFi. Celsius verspielte offenbar massiv Gelder, indem man die Leihgaben der Kunden nicht nur an Dritte zum Gewinn von Zinsen verlieh, sondern damit selbst spekulierte.
Durch den Bärenmarkt realisierte man nun aber zu viele Verluste und ist zahlungsunfähig. Celsius konsultiert bereits Wirtschaftsberater und tüftelt an einem Rettungsplan.
BlockFi geriet durch den Hedgefonds Three Arrows Capital (3AC) in Schwierigkeiten, der sich ebenfalls verspekulierte. An diesen verlieh BlockFi eine Milliarde US-Dollar. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Krypto-Börse Voyager, die an 3AC umgerechnet 665 Millionen US-Dollar in verschiedenen Anlageklassen verlieh.
Nachdem 3AC zahlungsunfähig ist und vor einer möglichen Liquidierung steht, bleibt die Rückzahlung der Kredite aus. Die Kreditgeber, die ebenfalls vom Bärenmarkt gezeichnet sind, verliehen offenbar mehr Geld, als ihnen möglich war.
Die Krypto-Börse FTX kauft BlockFi indessen für 680 Millionen US-Dollar. FTX-Geschäftsführer Sam Bankman-Fried erwarb erst vor wenigen Tagen elf Prozent an Voyager. Auch dort wäre eine Übernahme denkbar.
Voyagers Zahlungsunfähigkeit setzte ein, nachdem man kurz zuvor erklärt hatte, dass eine Insolvenz nicht drohe. Bankman-Frieds Unternehmen Alameda Research versorgte das Unternehmen erst kürzlich mit einer Finanzspritze in Höhe von 500 Millionen US-Dollar, welche die Insolvenz nicht aufhielt.
Wo steht der Kryptomarkt Anfang Juli 2022?
Bitcoin verlor in den letzten sieben Tagen 11,35 Prozent und liegt damit nun knapp unter 19.000 US-Dollar. Letzte Woche glückte BTC erst ein Aufschwung. Nachdem der Kryptomarkt im letzten Wochenrückblick noch durch mehrheitlich grüne Zahlen aufgefallen war, sind indessen wieder einige Verluste sichtbar.
Mehr als die Hälfte der Top-100-Kryptos verlieren zehn bis 24 Prozent. Größter Verlierer ist das Atomic Swap-Projekt THORChain (RUNE). Größter Gewinner ist TerraClassicUSD (USTC) mit einem Plus von 409 Prozent.
CoinMarketCap listet inzwischen fast 20.100 verschiedene Kryptowährungen.