Was sind Parachains?
Jede Blockchain-Infrastruktur möchte grundsätzlich drei Hauptziele erreichen: Dezentralität, Sicherheit und Skalierbarkeit.
Dabei stellt es die wohl größte Herausforderung in der Kryptobranche dar, diese drei Prinzipien gleichermaßen unter einen Hut zu bringen.
Erst wenn diese Hürde überwunden ist, wird die Adaption der Blockchain-Technologie alltagstauglich.
Dadurch steigen insbesondere die Anwendungsmöglichkeiten in Wirtschaft und Industrie, was für den Erfolg der Branche unumgänglich ist. Hierzu kann die Parachain-Technologie den entscheidenden Beitrag leisten.
In diesem Artikel erklären wir Dir, was Parachains sind und welche Anwendungsfelder existieren.
Was Parachains bezwecken
Fehlende Kommunikationswege zwischen verschiedenen Blockchains stellen ein Hauptproblem der Technologie dar. Das siloartige Dasein und die voneinander isolierten Ökosysteme begrenzen die Funktionalität maßgeblich.
Daher ist es naheliegend, diese Einschränkungen zu überwinden. Die Lösung vieler Probleme steckt in der sogenannten Cross-Chain-Interoperabilität. Unter dem Begriff bündelt sich die Idee, die Grenzen zwischen den jeweiligen Infrastrukturen zu durchbrechen.
Derweil gehen andere Versuche, Interoperabilität herzustellen, mit kritischen Einbußen einher. Werkzeugen wie Atomic Swaps, Orakel und State Channels mangelt es an Sicherheit und Effizienz, weshalb sie „kettenübergreifende“ Lösungen aktuell nicht ersetzen.
Warum Parachains notwendig sind
Um eine netzwerkübergreifende Interoperabilität garantieren zu können, benötigt es eine verbesserte Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Hierzu muss ein Ökosystem geschaffen werden, in dem Blockchain-Plattformen, die unterschiedlichen Zwecken dienen, miteinander interagieren können.
Öffentliche Blockchains können über Sidechains, zeitgesteuerte Hash-Locks und weitere Verfahren interagieren. Private und unternehmerische Blockchains benötigen hingegen breitere Austausch- und Interaktionsverfahren, was die Sache ein wenig verkompliziert.
An dieser Stelle kommt die Cross-Chain-Idee ins Spiel. Eine Plattform organisiert „kettenübergreifende“ Transaktionen, bietet kryptografische Sicherheit und garantiert mit einem Zeitstempel versehene Eintragungen unterschiedlicher Systeme in das Hauptverzeichnis des Ökosystems.
Wie Parachains funktionieren
Wer die Idee der Parachains verstehen möchte, kommt nicht umher, sich mit dem Polkadot Netzwerk auseinanderzusetzen. Ins Leben gerufen hat das Projekt der ehemalige Ethereum Mitbegründer Dr. Gavin Wood.
Das Protokoll des Polkadot Netzwerkes erlaubt es, beliebige Daten zwischen Blockchains zu übertragen. Deshalb kann das System als Mulit-Chain-Anwendungsumgebung gesehen werden, wo Cross-Chain-Registrierung und Cross-Chain-Kommunikation stattfinden kann.
Dabei integriert Polkadot einen Datentransfer sowohl auf der Ebene öffentlicher Blockchains als auch zwischen und zu privaten Blockchains.
Dies eröffnet die Möglichkeit, dass freigegebene Daten einer privaten Blockchain in eine öffentliche Blockchain transferiert und dort genutzt werden können.
Benötigt nun etwa ein Student zur Einschreibung an einer privaten Hochschule einen Nachweis für das entsprechende Qualifikationsniveau, kann diese die Überprüfung des Abschlusses über einen Smart Contract an der öffentlichen Schule erfragen und sich bestätigen lassen.
Wie ist Polkadot aufgebaut?
Relay Chain
Die Relay Chain stellt das Herz der Polkadot-Plattform dar. Sie ist verantwortlich für die gemeinsame Sicherheit, den benötigten Konsens und die Cross-Chain-Interoperabilität. |
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Parachains
Als Parachains werden die im Polkadot-Ökosystem souverän betriebenen Blockchains bezeichnet. Diese haben ihren eigenen Token und können ihre eigenen spezifischen Anwendungsfälle optimieren. |
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Parathreads
Die Parathreads besitzen die gleiche Bedeutung und Funktionalität wie Parachains. Sie sind insbesondere für Blockchain-Projekte interessant, die keine kontinuierliche Verbindung zum Netzwerk benötigen. Parathreads sind günstiger und werden nach dem pay-as-you-go Modell abgerechnet. |
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Bridges
Die Bridges ermöglichen es – wie es der Wortstamm aus dem Englischen bereits vermuten lässt – den Parachains und Parathreads eine Brücke zu externen Plattformen aufzubauen. So gelingt die Kommunikation und Verbindung zum Beispiel zu Bitcoin und Ethereum. |
Polkadot in der Praxis
Die Relay-Chain des Polkadot-Ökosystems wird über Substrate erstellt. Substrate dient dabei als „Blockchain-Framework für eine multifunktionale Zukunft“.
Die Einbindung von WebAssembly (Wasm) ermöglicht die Nutzung einer äußerst leistungsfähigen virtuellen Umgebung.
Wasm wird von großen Unternehmen wie Google, Apple, Microsoft und Mozilla entwickelt, die ein großes Ökosystem für die Unterstützung dieses Standards geschaffen haben.
Überdies nutzt das Polkadot-Netzwerk lib2p2, ein flexibles, plattformübergreifendes Netzwerk-Framework für Peer-to-Peer-Anwendungen.
Dabei gilt das Framework als Standard für zukünftige dezentralisierte Anwendungen und übernimmt die P2P-Erkennung und -Kommunikation im Ökosystem.
Außerdem wird die Polkadot-Laufzeitumgebung in Rust, C++ und Golang programmiert. Dadurch ist Polkadot für eine breite Palette an Entwicklern zugänglich.
Mit Parachains die Blockchain-Adaption vorantreiben
Polkadot bietet eine Art Layer-0-Blockchain. Durch das wachsende Ökosystem, das Angebot an Frameworks und die damit relativ einfache Handhabbarkeit können Layer-1-Projekte auf der Plattform gründen und interagieren.
Damit schafft Polkadot eine brillante Umgebung für die Adaptionsfähigkeit der Blockchain-Technologie. Ebenso verschafft das Projekt der Branche den zwingend erforderlichen Schritt zur Interaktion mit Real-World-Assets.
Parachains auf Polkadot – Anwendungsbeispiele
Das Polkadot-Ökosystem wächst rasant. Viele verschiedene Teams haben sich dazu entschieden, ihre Projekte dort anzusiedeln.
Die Anwendungsbeispiele reichen von DeFi (dezentralisierte Finanzen), dezentralisierte Datenspeicherung, über IoT (Intern of Things), Identitätsverifizierungen, Gaming, Beglaubigungen, zu NFT (Non-Fungible Tokens), Oracles und digitalen Geldbörsen.
Folgende bekannte Projekte können beispielhaft angeführt werden:
Weitere Anwendungsbeispiele fallen in die Bereiche:
- Data Curation Networks (die alle Dateispeicherketten zu strukturierten Datensätzen verbinden)
- Zero Knowledge („Privatsphäre-Ketten“ oder Brücken zu bestehenden ZK-Snarks-Ketten)
- File Storage Chains (Anreize zur Speicherung von On-Chain-Daten)
- Bridge zu Ethereum (Interaktion zwischen Ethereum und Polkadot)
Der Unterschied zwischen Parachains und Smart Contracts
Smart Contracts (also intelligente Verträge) sind kleine Softwarepakete, die auf speziellen Blockchains wie Ethereum, Elrond, Solana, Tezos und Cardano und vielen anderen Plattformen laufen.
Die Smart Contracts werden immer auf ein und derselben Blockchain betrieben.
Dabei konkurrieren sie um Rechenleistung, was wiederum zu den allseits bekannten Skalierungsproblemen führt.
Bei hoher Netzwerkauslastung kann es zu Engpässen bei der Bearbeitung der Transaktionen kommen, was insbesondere die Gebühren in die Höhe treibt.
Tatsächlich gilt dies als eine der entscheidenden Herausforderungen in Hinblick auf die Akzeptanz von Blockchain-Infrastrukturen in der realen Welt. Fehlende Effizienz und andere Komplikationen verhindern eine breite Adaptionsfähigkeit.
Darin liegt der Vorteil der Parachains
Parachains hingegen sind individuelle und unabhängige Blockchains. Sie werden für einen einzigen Zweck entwickelt. Die steigende Anzahl an Projekten bietet damit dem Nutzer eine riesige Auswahl an Dienstprogrammen und verschiedenen Anwendungsfällen.
Statt zu versuchen, mit einer Blockchain alle Probleme über ein einziges virtuelles System zu lösen, verteilen sich über die Parachain-Idee die begrenzten Ressourcen.
Ferner sind diese einzelnen Parachains in der Lage, miteinander zu kommunizieren und ein leistungsfähiges Netzwerk aufzubauen.
Auf diese Weise überwinden die Parachains und somit das Polkadot-Ökosystem die klassischen Beschränkungen der Blockchain und verhindern somit eine weitere Zerstückelung der großartigen Blockchain-Idee.
Parachain: die Zukunft der Blockchain
Polkadot entschied sich für das Modell der Parachains, da sie überzeugt davon sind, dass Blockchains in Zukunft enger miteinander kollaborieren und Hand in Hand arbeiten werden. Dabei müssen die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Nutzer abgebildet werden.
Da die Polkadot-Plattform den eigenständigen Projekten größtmögliche Freiheiten in Aufbau und Organisation ihrer Blockchain-Ideen einräumt, sind die Entwicklungsmöglichkeiten des Ökosystems schier unbegrenzt.
Skalierbarkeit
Das Parachain-Modell von Polkadot ermöglicht es den Projekten, Skalierbarkeit auf einem Layer-1-Niveau zu erreichen. Das Ausweichen auf eine Layer-2-Lösung ist daher nicht vonnöten.
Dies ist insbesondere in der Hinsicht fortschrittlich, da es die Schaffung weitgehend dezentraler und effizienter Skalierungsmöglichkeiten fördert.
Nachdem die Parachains alle auf einem Layer-1-Niveau arbeiten, können Transaktionen parallel verarbeitet werden.
Damit verteilt sich die Arbeitslast über das gesamte Ökosystem, was wiederum den Durchsatz der Transaktionen und somit die Skalierbarkeit insgesamt erhöht.
Interoperabilität
Wie bereits ausgeführt, begünstigt die Polkadot-Plattform die Möglichkeit der unbeschränkten Transaktion- und Austauschmöglichkeiten unter den Parachains.
Durch dieses interoperable Ökosystem können die Projekte alle Arten von Vermögenswerten, Daten, Smart-Contract-Aufrufe und Off-Chain-Oracle Informationen austauschen.
Hierüber scheint der Silo-Natur der Blockchain-Welt der Garaus gemacht zu werden. Den Betreibern der Anwendungen stehen neue Möglichkeiten offen, zu kooperieren und zu kommunizieren.
Sicherheit
Sowohl beim Proof-of-Work- als auch beim Proof-of-Stake-Mechanismus konkurrieren Blockchains um Ressourcen, um die Sicherheit des Netzwerkes zu garantieren.
Ebenso sind Blockchains leicht angreifbar, bis sie eine entsprechend große Gemeinschaft zur Unterstützung ihres Netzwerkes entwickelt haben.
Die Idee des Polkadot-Ökosystems begünstigt eine andere Herangehensweise. Hierbei aggregieren die Blockchains ihre Ressourcen und bündeln somit die Sicherheit für alle Teilnehmer des Netzwerkes gleichermaßen.
XCM: der sichere Cross-Chain Kommunikationsstandard
Um die beschriebene Interoperabilität erreichen zu können und eine netzwerkübergreifende Kommunikation zu ermöglichen, bedarf es einer Lösung. Mit der XCM (Cross-consensus Virtual Machine) liefert Polkadot den entsprechenden Standard.
Dabei definiert der Standard, wie man „kettenübergreifende“ Nachrichten verfasst, sendet und interpretiert. Überdies erlaubt die Programmiersprache den Blockchains den Austausch beliebiger Daten, Codes und sonstiger Werte.
First successful inter-chain asset transfer on @polkadot using the new XCM format/standard/protocol. Left is one parachain, right two windows are the other (index 300). @kusamanetwork $DOT $KSM pic.twitter.com/0Cj9pjTshK
— Gavin Wood (@gavofyork) September 12, 2020
Parachain Slot Leasing
Möchte ein Projekt einen Platz in der Relay Chain erhalten, muss es eine entsprechende Auktion gewinnen. Die Parachain-Plätze sind rar und nur in begrenztem Maße verfügbar.
Aktuell plant das Netzwerk mit rund 100 Projekten, die in Parachains und Parathreads aufgeteilt sein werden.
Die Gebote bei den Auktionen werden im nativen Token des Netzwerkes gesetzt, also in DOT. Ebenfalls möglich, sind Gebote im Tochterprojekt von Polkadot: Kusama.
Auch hier werden Parachain-Plätze vergeben, die wiederum über den Kusama Token KSM auktioniert werden.
Die Teams, die an den Auktionen teilnehmen, können sich zwischen einer Laufzeit von sechs Monaten und zwei Jahren entscheiden.
In dieser Zeit sind die für die Auktion eingesetzten Token gesperrt. Sie werden nicht gestaked und nach Abschluss der Laufzeit wieder ausbezahlt.
Acala Network: die erste Parachain auf Rococo
Derweil nimmt die Parachain-Idee weiter an Fahrt auf. Im März 2021 hat sich das Acala Netzwerk einen Platz im Rococo Testnet gesichert. Acala bezeichnet sich selbst als der DeFi Hub für das Polkadot-Ökosystem.
Acala has won the first parachain slot auction on @Polkadot testnet Rococo, and now Acala occupies the first public parachain slot on Rococo 🥳.
Keep on building 🛠️ pic.twitter.com/EscaM8dGqQ
— Acala (@AcalaNetwork) March 26, 2021
Im Februar desselben Jahres hat Acala eine Ethereum Virtual Machine (EVM) auf Basis des Polkadot-Substrate-Frameworks gestartet. Dadurch wird die Interoperabilität mit den Vermögenswerten auf der Ethereum-Plattform erleichtert.
Außerdem ist Acala bestrebt, die Cross-Chain-Interoperabilität im Polkadot-Ökosystem voranzutreiben. Auch die Einführung eines Stablecoins für verbesserte „kettenübergreifende“ Anwendungen wird forciert.
Neue Parachain Projekte auf Polkadot
Das Wachstum des Polkadot-Ökosystems ist beispielhaft. Viele der oben beschriebenen Projekte sind in der Blockchain-Branche bereits bekannt und etabliert.
Über die PolkadotJS App kann eingesehen werden, welche Projekte sich um einen Platz im Parachain-Netzwerk bemühen und welche sich bereits einen Platz gesichert haben.
Nichtsdestoweniger trägt die Aktivität des Acala Netzwerkes auf dem Rococo-Testnet einen entscheidenden Beitrag zum Start des Polkadot-Ökosystems bei.
Denn nach Gründer Gavin Wood sind zwei Dinge zwingend notwendig, um die Plattform zu launchen:
„Der Start von Polkadots Parachains wird voraussichtlich beginnen, sobald zwei Dinge geschehen sind: Erstens sollte eine vollständige externe Prüfung der gesamten neuen Plattform abgeschlossen sein. Zweitens sollte das Kusama Canary-Netzwerk bewiesen haben, dass die neue Logik in der Praxis funktioniert, indem es mindestens eine erfolgreiche Auktion mit Crowdloans durchführt und mindestens eine funktionierende Parachain hostet.“
Fazit: Mit Parachains in die Blockchain-Zukunft
Die Parachain-Idee von Polkadot wirkt revolutionär für den Fortschritt der Blockchain-Branche. Neben der Überwindung von Skalierungs- und Interoperabilitätsproblematiken, schafft das Netzwerk auch kleineren Blockchain-Projekten eine Plattform.
Sie bietet Sicherheit und Dezentralität und liefert somit alles, was es für den erfolgreichen Betrieb einer Blockchain benötigt.
Aktuell befindet sich das Polkadot-Netzwerk in einer Post-Launch-Phase. Das Ausrollen der vollumfänglichen Funktionalität steht somit in greifbarer Nähe.
Der native Token der Plattform rangiert mit Erstellung dieses Artikels auf Rang zwölf der nach Marktkapitalisierung größten Blockchains.
Das Projekt hat eine beachtenswerte Basis. Es konkurriert nicht zwingend Ethereum, sondern scheint eine sinnvolle Ergänzung zu sein. Auch ein Investment in Polkadot erscheint in diesem Rahmen als sinnvoll.