Blockchain-Anwendungen für mehr Transparenz in logistischen Prozessen
Blockchain-Anwendungen für mehr Transparenz in logistischen Prozessen
Die Technologie hinter dem Bitcoin macht sich für den Sprung in die Wirtschaft bereit. Längst ist die Blockchain als praxistaugliche und innovative Anwendung für eine Vielzahl von Einsatzbereichen bekannt.
Nahezu jedes namhafte Unternehmen beschäftigt sich direkt oder zumindest indirekt mit Blockchain-Anwendungen für die Logistik der Zukunft. Die global Player investieren in Forschung und Entwicklung von Blockchain-Lösungen.
Weil in der jüngsten Vergangenheit die Zahl der Blockchain-basierten Patente aus aller Welt deutlich zugenommen hat, sind nun die ersten Ergebnisse greifbar.
Auch wenn noch vieles nur als Prototyp existiert oder bisher lediglich Test-Anwendungen durchgeführt wurden, sind die Ergebnisse bisher mehr als beachtlich.
Eine digitale Wirtschaft ohne Blockchain wird aller Voraussicht nach nicht möglich sein. In den kommenden Jahren muss die Blockchain und die dahinter stehende durchdachte Möglichkeit der dezentralen Datenspeicherung weiter verfolgt werden, damit die Abwicklung von digitalen Verträgen für eine Maschinenökonomie in der Industrie 4.0 gewährleistet ist.
Wir blicken in die Logistik-Branche und machen uns auf die Suche nach dem aktuellen Stand der Dinge für Blockchain-Anwendungen.
Kühne + Nagel bietet Mehrwertlogistik mit Blockchain
Schon 2018 gab Kühne + Nagel bekannt, in Zukunft auf die Vorteile der Blockchain-Technologie zu setzen. Dafür wurde das VGM-Portal (Verified Gross Mass) des führenden Logistikers um eine Schnittstelle in die eigene große Betriebsumgebung mit rund 800.000 Transaktionen pro Monat erweitert.
Die native Blockchain-Schnittstelle bieten die Möglichkeit für den Datenaustausch mit Dritten, sodass zusätzliche Kommunikationskanäle wegfallen können. Mit dem VGM-Portal lassen sich Nachweise für das Bruttogewicht von Vollcontainern erstellen.
Dabei können Nutzer entweder die vollen Container an bestehenden Wiegestationen verwiegen oder die gewogenen Versandstücke zur Einzelmasse des Leercontainers addieren.
Über das angepasste betriebseigene Portal und die Blockchain-fähige Schnittstelle können Nutzer ihre Waren zur Verschiffung auf See anmelden. Dies ist als Folge des Internationalen Übereinkommens zum Schutz menschlichen Lebens auf See (SOLAS) für Seefrachttransporte gesetzlich vorgeschrieben.
Kühne + Nagel kontrolliert das Gewicht von Seefracht-Containern mithilfe der Blockchain-Technologie und gewährleistet dabei die Einhaltung aller strengen Vorgaben bezüglich Datenschutz und Vertraulichkeit.
Kunden profitieren vorwiegend von einer sicheren und effizienten Plattform für den Informationsaustausch. Dabei ist die Transparenz auch bei hohem Transaktionsaufkommen jederzeit gewährleistet.
Mit dem Betrieb des Portals auf Blockchain-Basis sammelt das Unternehmen eigenen Angaben nach wertvolle Erkenntnisse und Know-how für zukünftige Blockchain-Anwendungen.
Der Logistikdienstleister gehört auch zu den Mitgliedern des Konsortiums für die Digitalisierung von Frachtscheinen. Hier sind erhebliche Kosteneinsparungen möglich, was die ohnehin aufwendige Administration entlasten würde.
Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit ist zu berücksichtigen, denn das Einsparen von Papier, Tinte, Toner und Druckern trägt aktiv zum Umweltschutz bei.
Blockchain für Vision von Logistik der Zukunft
Unter dem Begriff „Track & Trace“ finden sich die Bemühungen der Branche, als Teil der digitalen Supply Chain, Frachtpapiere ins Internet der Dinge zu bringen. Aus jedem Stück Papier entsteht damit ein digitaler Zwilling, der die zu befördernde Ware 1:1 abbildet.
Auch der Austausch der Informationen zwischen den Akteuren der Logistik gehört dazu. Die Logistik-Informationen sind dann über elektronische Medien wie Mobiltelefon oder Tablet jederzeit und ohne Verzögerung abrufbar.
Kunden erhalten aber auch Einblick in den Status der Sendung und den Lieferzeitpunkt. Es gibt schon Unternehmen, die solche digitale Lösungen anbieten, jedoch jedes für sich mit eigener Schnittstelle. Ein zusammenfassendes System existiert bisher nicht und genau hier soll die Blockchain-Technologie ansetzen.
Im Rahmen des Pilotversuchs LL12 Living Lab der Bundesregierung und mit Unterstützung des Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, BGL testen ausgewählte Unternehmen die Einführung grenzübergreifender elektronischer Frachtbriefe eCMR.
Auf Basis einer Vision der Europäischen Kommission von der Zukunft der Logistik ist dies der erste Versuch zur vollständigen digitalen Dokumentation der Transportbranche in Deutschland. Aber auch in unseren Nachbarländern wird an praxistauglichen Anwendungen für die Blockchain-Technologie gearbeitet.
Lückenlose Transparenz in Lieferketten bei Samsung SDS
Mitte 2019 erreichte der erste papierlose, getrackte, verzögerungsfrei finanzierte und vollständig von Tür zu Tür verfolgte Container den Hafen in Rotterdam.
Mit dem Proof-of-Concept PoC wurde in umfassendes Lieferketten-Managementsystem geschaffen, dass vollkommen auf Papier verzichten kann.
Die Plattform Deliver ist ein Beweis für die lückenlose Transparenz in übergreifenden Lieferketten und ist auch auf den multimodalen Güterverkehr per Frachter, Lkw und Binnenschifffahrt übertragbar.
Gemeinsam mit den Partnern ABN AMRO und Samsung SDS hat der Hafenbetrieb Rotterdam gleich nach dem erfolgreichen Testlauf einen weiteren Vertrag abgeschlossen.
Die Zielsetzung in der neuen Phase ist ein Pilotprojekt mit mehreren Verladern aus verschiedenen Branchen und auf verschiedenen Handelsrouten.
Samsung SDS ist bereits erfahrender Blockchain-Entwickler und Nutzer, denn das Unternehmen hat seine Nextledger Plattform auf der Blockchain-Technologie aufgebaut.
Die IT-Beratung des südkoreanischen Technologiekonzerns Samsung Group hatte im Rahmen des Real 2019 Events von Samsung am 8. Mai 2019 in einer Keynote bekannt gegeben, Blockchain als eine der Schlüsseltechnologien für sein Digital Transformation Network nutzen zu wollen.
Die Blockchain-Plattform CelloSquare 3.0 kombiniert modernste IT mit der globalen Erfahrung im Bereich Logistikbetrieb von Samsung SDS und erbringt Dienstleistungen für globale E-Commerce Verkäufer.
Mit der transparenten Herkunft von nationalen und internationalen Waren wird die Zuverlässigkeit des Produkts erhöht, während die Daten nicht modifizierbar sind oder gestohlen werden können.
Die offene Blockchain-Lösung und ihre Hyperledger-Plattform entwickelt für Kunden eine optimale Transportplanung für die Ladung und empfiehlt verschiedene Vertragspartner für die Nutzer.
In der Timeline-Darstellung sind die allgemeinen Informationen zur Lieferung erfasst und in der Kartendarstellung kann der Nutzer den Standort der Ladung in Echtzeit nachverfolgen.
Alle Logistikprozesse vom Vertragsabschluss bis zur Sendung auf dem Luft- und Seeweg sind auf der CelloSquare Plattform von Samsung SDS abbildbar.
Logistik-Ökosystem auf Blockchain wird kommen
Die Interoperabilität zwischen physischen und Blockchain-basierten Plattformen ist sicherlich eine der größten Herausforderungen bei den zukünftigen Entwicklungen.
Es bietet sich für den internationalen Handel, aber auch ein völlig neues Ökosystem an. Darin können die Teilnehmer der Lieferkette kommerzielle, sensible und vertrauliche Informationen sicher teilen und Eigentumsübertragungen abwickeln.
Das ultimative Ziel ist eine offen, unabhängige und globale Frachtschifffahrtsplattform, die eine hohe Transparenz und Effizienz der Lieferkette ermöglicht und langfristig zu Kosteneinsparungen in den Betrieben führt.
Kaffeeliebhaber gehören zu den ersten Kunden, die mithilfe der Blockchain-basierten App „Thank my Farmer“ genau herausfinden können, woher ihre morgendliche Tasse Kaffee genau herkommt.
Die App basiert auf der von IBM mithilfe von Blockchain betriebenen Plattform und wurde in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Teilnehmern der globalen Kaffee-Lieferkette ins Leben gerufen.
Dazu gehören nach IBM-Angaben unter anderem Jacobs Douwe Egberts JDE, Sucafina, Beyers Koffie, The Colombian Coffee Growers Federation FNC, Rabobank, RGC Coffee, Volcafe und ITOCHU Corporation.
Im gesamten Netzwerk gibt es verschiedene Berechtigungsstufen, die jeden Teilnehmer zugewiesen sind. Die Daten liegen nahezu in Echtzeit vor und interagieren effizient miteinander.
Kommt es zu ergänzenden Einträgen auf der Blockchain, lassen sich diese ins Netzwerk laden und gemäß den Berechtigungsstufen an die Teilnehmer verteilt.
Die App bezieht die Daten zur Herkunft des Kaffees direkt aus der Blockchain und verbindet damit alle Teilnehmer in einzigartiger Weise. Vom Bauern, zum Händler, über den Röster, zum Kaffeeunternehmen, bis schließlich zum Lieferanten und dem Endkunden. Jedes Produkt ist damit bis zu seiner Ursprungsquelle im Anbaugebiet zurück verfolgbar.
Hyperledger Blockchain von IBM für Supply Chain
Die IBM Blockchain Plattform für Unternehmen spricht technische Führungskräfte an, die in der komplexen IT-Welt von heute Blockchain-Lösungen erstellen, ausführen, steuern und erweitern wollen. Sie ist kostenlos und ermöglicht, mit der Erweiterung für Hyperledger-Fabric, Smart Contracts und Kundenanwendungen vor Ort zu paketieren.
Hyperledger wurde 2015 von der Linux Foundation gestartet und wird durch den Software-Riesen IBM, aber auch Fujitsu sowie einer großen Community unterstützt.
Der Fokus liegt auf den gleichzeitig stattfindenden Ansätzen, die parallel verlaufen und wieder verwendbare Komponenten entstehen lassen.
Die involvierten Unternehmen validieren sich ganz ohne Mining oder Proof-of-Stake gegenseitig ihre Transaktionen und halten damit als starkes Konsortium das Netzwerk aufrecht.
Im Hyperledger Projekt sind vier unterschiedliche Blockchain-Ansätze verfügbar, darunter Fabric, Burrow, Irohe und Sawtooth.
Die verteilte Blockchain-Plattform ist eine Permissioned Blockchain, die ideal ist für die Anwendung in der Supply Chain. Vor allem die Version Fabric ist ausgesprochen flexibel und modular aufgebaut.
Sie ist universell einsetzbar und erlaubt die Zuweisung einer festen Identität. Über das Paketieren von Smart Contracts fügen sich die Daten zu einem Archiv zusammen, dass sich auf ein bestehendes Fabric-Netzwerk installieren lässt.
Ohne viel Aufwand lassen sich neue Organisationen hinzugefügen, eindeutige Seriennummern vergeben und die digitalen Objekte an andere Teilnehmer im Netzwerk übertragen lassen.
Die Hyperledger Plattform ist nur eine von vielen möglichen Adaptionen, um die Distributed-Ledger-Technologie in der Wirtschaft einzusetzen.
Standards für Blockchain-Anwendungen in der Lieferkette
Auch die GS1 Germany befasst sich intensiv mit der Blockchain-Technologie und ihren möglichen Anwendungen in zahlreichen Branchen.
Die Organisation entwickelt Standards und vergibt eindeutige internationale Artikelnummern, die für Barcodes, RFID Tags und Produktdaten-Management eingesetzt werden.
Daneben definiert GS1 Germany aber auch Lösungen und Standardanwendungen für die Stammdatenqualität, die Rückverfolgbarkeit, Mobile Commerce und digitale Wertschöpfungsketten.
Als Pilotprojekt zur Nutzung von Blockchain wurde jüngst eine Initiative zum Tauschvorgang von Ladungsträgern unterschiedlicher Art bekanntgegeben.
Gemeinsames Ziel im Projekt ist es, mittels Blockchain mehr Transparenz und Effizienz im Markt zu erzeugen. Uns geht es dabei nicht um die Entwicklung einer weiteren Plattform, sondern darum, mittels Blockchain in Verbindung mit Standards Kompatibilität und Synergieeffekte zu schaffen, so Dirk Freda, Lead Competence Center Supply Chain Management bei GS Germany Quelle
Das auf zwei Jahre ausgelegte Projekt wird von drei Arbeitsgruppen bearbeitet.
- Die erste Arbeitsgruppe befasst sich mit der Frage nach den unterschiedlichen Ladungsträgern im System. Wie unterscheiden sich die Tauschvorgänge untereinander? Welche Akteure sind in der Lieferkette jeweils involviert?
- Zeitgleich entwickelt die zweite Arbeitsgruppe technologische Konzepte für die Umsetzung. Das sind unter anderem einfache Prototypen zur Validierung der Fragen: Welche Blockchain-Technologie eignet sich am besten? Mit welchen Datenmengen muss die Blockchain-basierte Lösung umgehen können und welche Funktionen benötigen die unterschiedlichen Teilnehmer?
- In der dritten Arbeitsgruppe geht es um die Governance-Regeln für das spätere Blockchain-Konsortium. Diese müssen sowohl on-chain, also in Form von Code, als auch off-chain, also für die Teilnehmer, vorliegen. Wer darf welche Daten innerhalb des Netzwerks sehen und welche Rechte besitzt jeder Teilnehmer? Auch die Frage, ob Teilnehmer aus dem Konsortium jederzeit austreten können, braucht eine Antwort. Ziel ist die Entwicklung eines gemeinsamen Vertrags für alle am Konsortium teilnehmenden Partner. Außerdem braucht es ein entsprechendes Geschäftsmodell und ein Business Case.
Kunde will Transparenz, Prozesse werden effizienter
Die Branche ist bemüht, die Handelsströme vollständig zu automatisieren und wirksamere Kontrollen, höhere Effizienz, Transparenz und Rückverfolgbarkeit für alle beteiligten Partner umzusetzen. Die Blockchain soll es möglich machen und der Schlüssel für durchgängig transparente Lieferketten sein. Mehr Transparenz bedeutet auch weniger Rückrufe, die Hersteller viel Geld kosten.
Aber auch mehr Bindung zu regionalen Anbietern, die im Zeitalter von Klimastreiks immer mehr in die Gewichtung beim Kauf einfließen. Konsumenten wollen nicht einfach irgendetwas kaufen, sondern von Anfang an im Bilde sein. Damit können sie individueller auswählen und ihre persönlichen Bedürfnisse statt Preis in den Vordergrund stellen.
In globalen Lieferketten haben Anwender ganz unterschiedliche Anforderungen und Interessen. Jeder hat spezielle Wünsche und ganz persönliche Vorstellungen, wie Transparenz aussehen soll. Wo setzen Standards ein und ab wann gelten die rechtlichen Vorgaben eines Landes im Rahmen der Lieferkette mit grenzüberschreitenden Transportwegen?
Es sind bis zu 100 Seiten Papier für ein Frachtpapier möglich, wenn eine Ware im Container um die Welt reist. Durch die End-to-End-Vernetzung aller am Herstellungsprozess beteiligten Akteure lassen sich auch Verträge zukünftig in Form von Smart Contracts sicher abwickeln. Dafür bedarf es aber eines sicheren Datenaustausches zwischen intelligenten Geräten im Internet der Dinge.
Doch derzeit sieht es mit der Digitalisierung bei Betrieben des Mittelstandes nicht so gut aus. Und egal, wie viele Blockchain-Standards es gibt, die Integration in bestehende ERP- und Warenwirtschaftssysteme ist bisher wenig berücksichtigt worden.
Logistik-Branche vor großen Herausforderungen
Außerdem sind derzeit verschiedene Datenkanäle in der Logistik-Branche im Einsatz, unter anderem Electronic Data Interchange EDI, EPCIS und GDSN.
Die neue Blockchain-Infrastruktur muss speziell für die Logistik an etablierte Systeme und Lösungen integrierbar sein. Weltweiter Handel bedeutet auch viele verschiedene Standards. Dazu kommt der fehlende flächendeckende Anschluss an das Internet.
Allein in Deutschland scheitert es noch immer am 5G Standard für alle. In manchen Ländern ist Internet überhaupt nicht verfügbar oder nur staatlich kontrolliert im Einsatz. Auch die IOTA-Foundation muss Projekte zurückstellen, denn auch sie braucht für die Umsetzung von effizienten Industrie-Lösungen den neuen Mobilfunkstandard 5G.
Ebenso braucht es große Mengen Daten für die Blockchain, dazu gehören qualitativ hochwertige, korrekte und vollständige Datensätze. Derzeit sieht es trotz aller Bemühungen um praxistaugliche Blockchain-Anwendungen für die Logistik wie in vielen anderen Bereichen auch aus.
Ein Zusammenspiel aus bestehenden Systemen und Anwendungen auf Blockchain-Basis ist die beste Lösung, bis die Digitalisierung in den Betrieben vorangeschritten ist. Dazu kommt die Leistung der Open-Source Entwickler Community, die intensiv an der Bearbeitung des Codes arbeitet und damit neue Lösungen möglich macht.
All das wird aber ebenfalls seine Zeit benötigen, bis kundenorientierte und praxistaugliche Anwendungen dabei herauskommen. Ein weiteres Problem stellt sich in der geringen Zahl Unternehmen dar, die Teil eines Konsortiums werden wollen.
Doch braucht es ein großflächiges Partner-Ökosystem für die Umsetzung von konsortialen Blockchains und ihren Möglichkeiten für die Branche. Diese sind auch für die Gewinnung von Daten notwendig, damit eine lückenlose und saubere Kette gewährleistet ist.