Wie Stablecoins für mehr Finanzstabilität sorgen können

In den vergangenen Jahren konnten Anleger vermehrt auf den Begriff der Finanzstabilität treffen. Insbesondere mit der geplanten Einführung von Libra haben die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die US-Notenbank und das Fincial Stability Board öffentliche Sorgen über die Auswirkungen von Libra auf die Finanzstabilität geäußert. Dabei zeigt sich, dass es auf Seiten der geldpolitischen Organe Besorgnis über die globalen Stablecoins gibt, die ein enormes Potenzial bei ihrer Reichweite haben. Doch sind Stablecoins wirkliche eine Gefahr für die Finanzstabilität?

Das steckt hinter der Finanzstabilität

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff der Finanzstabilität? Ist es ein solide finanzierter Staatshaushalt? Vielleicht ist auch die Rede von einem gesunden Konsumverhalten und der damit einhergehenden Inflation? Die Definition der Finanzstabilität fällt vergleichsweise schwer. Nichtsdestotrotz finden die meisten Menschen ein Beispiel für Finanzinstabilität – die Finanzkrise im Jahr 2008.

Allerdings haben die G20-Regierungen im Jahr 2009 das Financial Stability Board (FSB) ins Leben gerufen, welches von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) organisiert wird. Das ausgesprochene Ziel des FSBs ist die Überwachung des globalen Finanzsystems sowie die Koordination der nationalen Finanzbehörden. Per offizieller Definition soll das FSB die Schwachstellen, die die Finanzsysteme beeinträchtigen, im Interesse der globalen Finanzstabilität angehen. Somit soll das Financial Stability Board dafür sorgen, dass eine systembedingte Finanzkrise wie aus dem Jahr 2008 nicht mehr stattfindet.

Doch ist es wahrscheinlich, dass wir nochmal eine bankenverursachte Krise erleben? Die Erklärungen für das Auftreten der Finanzkrise sind jedenfalls einfach und laufen stets auf folgende Faktoren hinaus:

  • Übertriebene Gier
  • Unmoralisches Handeln
  • Exzessive Risikobereitschaft

Definitionen von Finanzsystemrisiken

Im nächsten Schritt definierten entstanden zahlreiche Definitionen der sogenannten Finanzsystemrisiken. Eine mögliche Definition lieferte etwa das oberste kanadische Gericht im Jahr 2011. So handelt es sich hierbei um:

„Risiken, die einen Dominoeffekt auslösen, d. h. das Risiko der Zahlungsfähigkeit eines Marktteilnehmers beeinträchtigt die Fähigkeit anderer Marktteilnehmer, ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, wodurch eine Kette negativer wirtschaftlicher Folgen ausgelöst wird, die ein ganzes Finanzsystem durchzieht.“ – Urteil oberster Gerichtshof Kanada

Etwas einfacher hat es Gert Wehinger in „Lessons from the financial market turmoil: Challenges ahead for the financial industry and policy makers“ definiert. Laut Wehinger lassen sich Finanzsystemrisiken wie folgt definieren:

“Das Potenzial für erhebliche Volatilität der Vermögenspreise, Unternehmensliquidität, Konkurse und Effizienzverluste, die durch wirtschaftliche Schocks hervorgerufen werden.“ – Gert Wehinger

Zwar erscheinen die Definition auf den ersten Blick einleuchtend, doch Gründe für die genannten Schocks oder Risiken werden nicht definiert. Der konkrete Fall der Finanzkrise zeigt, dass der plötzliche Kursrückgang bei fremdfinanzierten Vermögenswerten dafür sorgte, dass die Subprime-Hypotheken – somit auch die besicherten Wertpapiere – massiv an Wert verloren.

Grundsatz von Angebot und Nachfrage

Schlussendlich stellt sich nun die Frage, wieso die Preise der mit Subprime-Hypotheken besicherten Wertpapiere so schnell sinken konnte. Die Antwort hierauf ist einfach, denn der Preis eines jeden Vermögenswerts hängt vom Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage zusammen. Für Investoren war es allerdings nahezu unmöglich, die Wertpapiere eingehend zu analysieren. Die Hypothekengründer dahingegen hatten keinen finanziellen Anreiz, um die Kredite zu analysieren.

Im Ergebnis erhielten die Subprime-Wertpapiere ein AAA-Rating der besten Bonität. Mit der zunehmenden Zahlungsunfähigkeit der Kreditnehmer kam es zum Kollaps des Marktes – Banken mussten marode Kredite abschreiben.

Möchten wir entsprechende, systemische Risiken ausschließen, dann benötigen wir gesunde Preisfindungsmechanismen.  Eine tragende Rolle spielen hierbei Markteilnehmer, die sich bei der Kapitalallokation nicht auf Rating-Agenturen verlassen, sondern rationalere Entscheidungskriterien verwenden. Nichtsdestotrotz benötigen diese Institutionen ein kosteneffizientes Vehikel, um das Kapital schnell zu allokieren und somit das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. An dieser Stelle wollen wir einen genaueren Blick auf die Stablecoins werfen.

Der Sinn und Zweck von Stablecoins

Nun kommen wir wieder zum Ausgangspunkt dieses Beitrags: den Berichten des FSB, der BIZ sowie der Federal Reserve (FED). Alle Institutionen sehen in Stablecoins wie Libra einen Versuch zur Reduktion der Volatilität anderer Krytpo-Assets. Allerdings entspricht diese Einschätzung nicht dem eigentlichen Sinn einer Stablecoin.

Vielmehr sollen Stablecoins die Ineffizienzen des klassischen Finanzsystems adressieren. Durch die Bereitstellung hochliquider Kryptowährungen, welche im Grund die Eigenschaften von Fiat-Geld besitzen, lassen sich die Nachteile des Finanzsystems ausgleichen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich auch, dass dies nur wenig mit der Kursstabilisierung anderer Kryptowährungen zu tun hat.

Außerdem stehen Stablecoins nicht in direkter Konkurrenz zu anderen Krypto-Assets, sondern erleichtern den Zugang zu diesen neuen Assets. Überspitzt gesagt gäbe es keine Stablecoins, wenn unser Finanzwesen nicht so teuer, langsam und ausgrenzend wäre.

Folglich stellen Stablecoins wie Libra auch bei einer großflächigen Adaption keine systemische Bedrohung dar. Die Stablecoins sind eher eine Art modernes Vehikel zur Durchführung von Transaktionen und kein Investitionsgut. Außerdem sind Sie mit einem anderen Asset, beispielsweise einer Fiat-Währung, abgesichert. Durch den Handel der Stablecoin kommt es allerdings nicht zur Beeinflussung des entsprechenden Gegenwerts. Aus diesem Grund ist die Preisfindung für eine globale Stablecoin auch sehr robust und starke Kursschwankungen sind nahezu nicht existent.

Die Preisfindung bei Stablecoins

Die initiale Ausgabe von Stablecoins findet am Primärmarkt statt. Hier erfolgt die Ausgabe des Tokens zum definierten Kurs. Anschließend kann ein Handel an den Sekundärmärkten stattfinden. An den Sekundärmärkten können wir wieder das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage beobachten. Allerdings zeigt sich, dass sich der Preis sehr eng um den gebundenen Kurs bewegt. Sollte es zu Abweichungen kommen, werden diese von Abitrage-Händlern genutzt und es kommt zu einer neuen Definition des Marktgleichgewichts.

Außerdem ist das Geschäftsmodell aus Sicht eines Stablecoin-Emittenten vergleichsweise einfach. Während Finanzintermediäre stets auf neue Geschäfte angewiesen sind, um Gewinne zu erwirtschaften, verdienen die Emittenten von Stablecoins Gebühren durch die Verwaltung der Token. Dementsprechend sehen wir hier keine Marktteilnehmer, die risikoreiche Wetten eingehen müssen, um eine Rendite zu erzielen. Stattdessen ist der Schutz der hinterlegten Sicherheitsreserven, welche beim Primärinvestment gesammelt wurden, bereits ausreichend, um gewinnorientiert zu handeln.

Regulierung von Stablecoins zur Sicherung der Stablität des Finanzsystems

So fördern Stablecoins die Finanzstabilität

In den Berichten von FED, BIZ und FSB heißt es, dass wir nicht nur auf die potenziellen Effizienzgewinne achten sollten, sondern auch die Risiken für die Finanzstabilität ein wichtiger Einflussfaktor sei. Allerdings sind die Berichte vergleichsweise einseitig geschrieben und das Potenzial der Stablecoins zur Förderung der Finanzstabilität finden keine Erwähnung.

Allerdings sollten vor allen Dingen die politischen Entscheidungsträger eben jenes Potenzial berücksichtigen, wenn es um die Bewertung globaler Stablecoins geht. So können institutionelle Anleger mithilfe globaler Stabelcoins schnell Vermögen allokieren. Somit könnte sich eine schnellere Preisfindung ergeben, welche wiederum ein natürlicher Gegenpol der Finanzinstabilität ist.

Aus Sicht von FED, BIZ und FSB spielen jedoch auch die etablierten Finanzinstitute eine Rolle, wenn wir auf die Finanzstabilität blicken. Mit der Einführung alternativer Zahlungsmittel, welche vollständig auf Intermediäre verzichten, könnten auch die Renditen von Banken und Zahlungsdienstleistern weiter fallen. Somit steht deren Rentabilität im Fokus der Überwachungsorgane, doch die Stabilität der Finanzinstitute ist nicht gleichbedeutend mit der Stabilität des Finanzsystems im weiteren Sinne.

So kann man nicht davon ausgehen, dass bilanzielle Gewinne aufseiten der Banken gleichbedeutend mit Finanzstabilität ist. Stattdessen sollten wir das Interesse der Gesellschaft höher bewerten und eine alternative Anlageklasse als eben diese akzeptieren.

Fazit: Stablecoins können die Finanzstabilität verbessern

In ihrem Statement zur potenziellen Gefahr durch die Libra Coin haben FSB, BIZ und FED davor gewarnst, dass die Coin ein potenzielles Risiko für die globale Finanzstabilität sei. Allerdings zeigt ein genauerer Blick auf den Begriff der Finanzstabilität, dass es sich hierbei im eigentlichen Sinne um ein gesundes Maß zwischen Angebot und Nachfrage handelt. Außerdem sollte extreme Überbewegungen – so wie 2008 im Hypothekengeschäft – vermieden werden.

Allerdings gibt es auch Vorzüge von Stablecoins, die in den vorliegenden Berichten keinerlei Beachtung fanden. Beispielhaft können die günstigeren Kosten im Vergleich zum klassischen Bankenwesen oder der bessere Zugang zu Kryptowährungen, auch für Menschen ohne Bankkonto, herangezogen werden. Zusätzlich garantieren Stablecoins durch die dahinterliegende Distributed-Ledger-Technologie eine schnellere Abwicklung im Zahlungsverkehr und eignen sich daher auf internationaler Ebene.

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