Ubirch Interview – Eine Birke im Garten des Chefs und Blockchain on a SIM

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Blockchain: Hallo Eva, Matthias und Stephan. Vielen Dank, dass ihr euch heute die Zeit nehmt und uns ein Interview gebt. Das Unternehmen Ubirch ist besonders wegen des digitalen Impfpasses gerade in den Medien präsent, unsere Leser sind aber auch auf die anderen Projekte und Leistungen gespannt, die ihr anbietet.

Eva: Hallo Frau Herrnberger, ich darf Sie im Namen von Ubirch herzlich begrüßen. Wir sind ebenso gespannt auf das Interview und haben dafür den CEO, Herrn Noller, und den CTO, Herrn Jugel, gewinnen können.

Matthias Jugel, CTO Ubirch
Matthias Jugel, CTO Ubirch

Vorab gerne nur ein paar Worte über uns: Ubirch ist Anbieter einer Technologie für Verifikation von Daten. Unser Team besteht aus erfahrenen Spezialisten für Kryptografie, Blockchain und datengetriebene Geschäftsmodelle.

Mithilfe von robuster Kryptografie und innovativer Blockchain-Technologie stellt Ubirch die Unverfälschbarkeit digital gespeicherter Daten sicher.

Einsetzbar als Software oder auf SIM-Karten adressieren wir mit unserem Angebot vor allem Kunden aus den Segmenten Fertigungsindustrie, Smart Cities, Versicherung, Energieversorgung, Luftfahrt und Logistik, Pharma und Health.

Blockchainwelt: Fangen wir direkt mal an und die Frage betrifft die Standorte. Wie ich auf der Homepage sehen konnte, ist Berlin neben Köln und München ein Standort eures Unternehmens. Warum gerade diese drei Städte?

Stephan: Berlin gilt ja längst als das Blockchain-Mekka in Europa und da war es klar, nach dem Prinzip „Follow the People“, dort auch präsent zu sein. Es gibt dort viele Technologie-affine Leute, junge Menschen, die sehr open-minded unterwegs sind.

Köln ist unser Gründungsstandort, hier haben wir das Headquarter. In der Region sind viele Industriebetriebe, Versicherungen und Zulieferer ansässig, was für uns ein wichtiges Kriterium ist, denn dort befinden sich viele unserer Zielgruppen.

Stephan Noller CEO Ubirch
Stephan Noller CEO Ubirch

In München sind wir vertreten, weil es eine enge Partnerschaft mit Microsoft und IBM gibt, außerdem existiert dort ein erfolgreicher Tech-Hub. Aber auch in München gibt es eine gute Nähe zu unseren Kunden und potenziellen Zielgruppen.

Matthias: Ich kann noch ergänzen, dass wir auch ein Office in Tel Aviv haben, denn Israel gilt in dem Bereich unseres eigentlichen Geschäftsbetriebes, der Cybersecurity, als führend oder zumindest ganz weit vorne positioniertes Land.

Außerdem haben wir noch eine Tochterfirma in Dubai, denn das Land fördert sehr aktiv die Blockchain-Technologie, das gilt sowohl für öffentliche als auch private Blockchains.

Blockchainwelt: Was zeichnet Ubirch aus, wo liegen die Stärken des Unternehmens und wo unterscheidet es sich von anderen?

Stephan: Also zunächst mal sind wir alle ziemlich erfahrene Gründer, mit schon so einigen Jahren Industrie-Erfahrung auf dem Buckel. Das ist vielleicht ungewöhnlich für eine Firma, die Blockchain propagiert in diesen Tagen.

Dafür profitieren unsere Kunden von einer tiefgehenden Expertise im Bereich der Cybersecurity und zahlreichen, bereits erfolgreich umgesetzten Kundenprojekten.

Matthias: Wir haben im Team einen guten Altersdurchschnitt, würde ich sagen. Unsere Entwickler sind zwischen 20 und 40 Jahren alt. Wir sind auch sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, sehr talentierte Frauen für unser Entwicklungsteam zu gewinnen.

Die Art, wie wir arbeiten, verändert sich zunehmend. Und wir als Unternehmen passen uns dementsprechend an und sorgen für die Datensicherheit.

Stephan Noller

CEO Ubirch

Blockchainwelt: Ist es leicht, qualifiziertes Personal zu finden?

Stephan: Bedingt durch die Pandemie haben wir uns kurzfristig auf Remote-Arbeitsplätze konzentriert und können diese bis heute unseren Mitarbeiter:innen anbieten.

Das wirkt sich natürlich auch auf die Personalsuche aus, denn wir konnten den geografischen Kreis praktisch auf die ganze Welt ausweiten, bzw. grob unsere Zeitzone. Bei unseren klassischen HR-Prozessen galt schon immer das Motto „Follow the People“, jetzt sind wir da deutlich flexibler.

Aber ja, auch wir merken die Knappheit am Markt und spüren den dadurch gestiegenen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, was die Vergütung und andere Aspekte angeht. Durch die hohe Nachfrage bei gleichzeitig wenig Fachkräften steigt natürlich deren Gehaltsvorstellung.

Ubirch Trust Service und Ubirch Nano Client
Trust Service & Nano Client, Quelle: Ubirch.com

Blockchainwelt: Ubirch ist ja gerade sehr präsent in den Medien, hat das die Personalsuche auch beeinflusst?

Stephan: Ja, hat es. Wir bekommen dadurch viele Initiativbewerbungen, da die Menschen uns aus Presseberichten und in Fachmagazinen wahrnehmen. Einer unserer Consultants hat sich direkt nach einem Radio-Interview beworben und fing schon kurze Zeit später dann auch bei uns an.

Blockchainwelt: Womit hat das Unternehmen Ubirch angefangen, was waren die ersten Leistungen, die ihr angeboten habt?

Stephan: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir unser Unternehmen auf Cutting Edge Technologien ausgerichtet haben. In unserem ersten Manifest beschäftigten wir uns mit der Sinnhaftigkeit dieser Technologien und der Security von Edge-Devices.

Erst im zweiten Schritt kam die Blockchain-Technologie dazu. Unsere ersten Leistungen haben sich aus dem IoT heraus entwickelt, die Blockchain zeigte sich dann später als mögliche Lösung für bestimmte Kundenprobleme.


Blockchainwelt: Ist die Blockchain für alle Kundenprobleme gleich gut geeignet?

Stephan: Nein, ich würde heute sagen, dass die Blockchain nicht für alle Anwendungen gleich gut geeignet ist. Sie passt hervorragend in die Bereiche Zertifizierung und in das Internet of Things. Wir sprechen dann auch von der Blockchain for Things.

Matthias: Und ich möchte ergänzen: Wenn Kunden eine Mischung aus öffentlicher und privater Blockchain benötigen, dann passt unsere Lösung ideal.

Eine 2nd Layer Lösung ist für Industriekunden oft perfekt, denn sie ist einfach kostengünstiger und auch technisch für höhere Datenraten geeignet. Außerdem bietet sie gute Schutzmöglichkeiten für vertrauliche Daten.

Blockchainwelt: Kommen Kunden zu euch und fragen gezielt nach Blockchain-Lösungen oder schlagt ihr diese vor, wenn das Anwendungsprofil dazu passt?

Stephan: Wir haben eine gute Mischung aus Kunden, die gezielt nach der Blockchain fragen und Kunden, die zumindest wissen, dass es sinnvoll ist, sich über eine Blockchain Gedanken zu machen.

Aber die meisten Kunden kommen zu uns, weil sie ein Problem im Bereich von IoT und Edge-Devices haben und sich dafür eine Lösung für die Sicherheit wünschen.

Blockchainwelt: Es geht um Sicherheit von Daten und den Beweis von Daten. Wo sind solche Lösungen wichtig?

Stephan: Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit der Frage, wie man nachweisen kann, dass Daten auch wirklich daher stammen, wie augenscheinlich behauptet wird.

Der Beweis von Daten, also ihr Ursprung und ihr Inhalt, ist beispielsweise wichtig bei der Pharmaindustrie, der Logistik oder bei der Lieferkette von Impfstoffen. Es geht dabei vor allem darum, dass die Daten auch wirklich echt sind und ihr Ursprung verifiziert werden kann.

Dafür wenden wir kryptografische Absicherungen an, die für prüfbare Datenintegrität sorgen.

Blockchainwelt: Dabei kommen Oracles zum Einsatz, richtig?

Stephan: Ja, genau. Oracles sind für die Absicherung zuständig, denn sie belegen die Integrität, die Authentizität und die Vollständigkeit der Daten. Anschließend werden diese auf die Blockchain mit einem Zeitstempel versehen und gesichert.

Unternehmen und Behörden beispielsweise produzieren Unmengen wichtiger Daten, die für Dritte relevant sind. Das gilt ja übrigens auch für die Corona-Testzertifikate.

Blockchainwelt: Kannst du uns weitere Beispiele nennen, wo die Datensicherheit, also ihr Ursprung und ihre Originalität, dringend notwendig sind?

Stephan: Nehmen wir beispielsweise das Elektroauto, mit dem ein Benutzer Strom über seinen Arbeitgeber bezieht und den Verbrauch über sein Lohn- oder Gehaltskonto abrechnen möchte. Aber auch im Smart Meter werden solche Daten erzeugt und verwaltet und über ein P2P-Stromprojekt abgerechnet.

Wie viel Strom wer, wo und wann benötigt hat, lässt sich mit der Blockchain transparent und sicher – und auch dezentral – abbilden. Da können unterschiedliche Steuersätze zum Tragen kommen, das System produziert automatisch Rechnungen und Ubirch sorgt für die rechtssichere Verbrauchsabrechnung.

Im Grunde kann dein Toaster im IoT angeschlossen sein und dir eine Rechnung ausstellen, jedes Mal, wenn du ihn benutzt. Unsere Endgeräte werden digital zusammengeschlossen und Daten fließen dabei in jede Richtung.

Blockchain on a SIM Ubirch
Quelle: Ubirch.com

Blockchainwelt: Kommen wir zu eurem Projekt „Blockchain on a SIM“. Was muss ich mir darunter vorstellen, wofür brauchen wir das?

Stephan: Die Welt unterliegt einer massiven Fragmentierung, das liegt auch an der IoT-Sensorik, die an zahlreichen Stellen in unserem Leben eingebunden ist.

Es gilt hier, die Daten bereits an der Quelle abzusichern, sodass sie von beliebigen Dritten als vertrauenswürdig verwendet werden können. Eine SIM-Karte bietet eine günstige Sicherheitstechnologie, die weltweit einem Standard folgt.

Im Rahmen von 5G und 6G bilden immer mehr Sensoren Abläufe und Prozesse ab, jeder zweite Sensor soll in Zukunft sogar mobil angebunden sein. Die physische SIM-Karte existiert bereits seit mehr als 20 Jahren und basiert auf einer standardisierten Norm. Jede SIM-Karte ist ein vollständiger Computer.

Durch die Einführung von eSIM-Karten können Maschinen flächendeckend mit dem Internet verbunden werden, was ganz neue datengetriebene Geschäftsmodelle im Bereich IoT möglich macht.

Einer der größten Hersteller von SIM-Karten ist das Unternehmen Giesecke und Devrient. Gemeinsam mit Giesecke und Devrient Mobile Security und dem Provider 1NCE haben wir einen gemeinsamen Nenner entwickelt, mit dem sich die Ubirch Sicherheitsfunktionen auf einem speziellen Mikrocontroller integrieren ließen. Dieser ist Teil der SIM-Karte.

Die SIM-Karten genießen weltweit ein hohes Vertrauen und kommen nah an die Datenquellen heran. Dort ist dann ein Sicherheitsprotokoll integriert, das garantiert, dass die Daten von den IoT-Sensoren nach ihrer Erstellung nicht verfälscht werden können.

Auf der SIM-Karte befindet sich ein kryptografischer Schlüssel, der die Datenpakete versiegelt und verkettet.

Blockchainwelt: Dann habt ihr also die Blockchain-Technologie mit der SIM-Karte zusammengebracht?

Matthias: Ja, das kann man so sagen. Die „old-fashioned“-Technologie SIM-Karte haben wir sozusagen durch den „new-style-trust“ ergänzt und beide Konzepte vereint.

1NCE_ubirch_Blockchain-on-a-SIM_Das-Beste-aus-beiden-Welten
Quelle: 1nce.com

Blockchainwelt: Könnt ihr uns einen Use Case nennen für den Einsatz einer Blockchain-on-a-SIM?

Stephan: Nehmen wir mal einen Textilhersteller, der immer höhere Anforderungen hinsichtlich seiner Produktion und Qualität umsetzen muss. Er schickt immer wieder Prüfer zu seinen Lieferanten, um die Einhaltung der Qualitätsbedingungen zu prüfen und ein Siegel zu vergeben oder zu bestätigen.

Nun kommt es zu einem kurzfristigen Farbwechsel in der Kollektion aufgrund eines modischen Trends. Der Textilhersteller kann in so kurzer Zeit gar nicht seine Mitarbeitenden zu den neuen Lieferanten schicken, um dort die Bedingungen zu zertifizieren.

Jetzt gibt es aber eine andere Art der Absicherung, denn es kommt die sensorgestützte Sicherheit ins Spiel. Durch den „new-style-trust“ ist der Textilhersteller extrem flexibel und viel schneller in der Verifizierung seiner Lieferanten als bisher. Alte Vertrauensstrukturen werden aufgeweicht, so wie beispielsweise der TÜV.

Bei jüngeren Konsumenten haben diese Institutionen viel weniger Relevanz als bei der älteren Generation. Sie vertrauen auf ihre Apps, die mit Blockchain-Technologie belegen, dass der Farmer in Afrika alle relevanten Bestimmungen einhält. Das bringt auch eine Menge Empowering zu den Produzenten, denn das sind oft kleine Betriebe.

Sie erhalten damit ein wertvolles Qualitätsmerkmal an die Hand und können sich von anderen abheben. Dadurch bekommen sie Stimmrechte und Marktmacht. Heute kann fast jeder jüngere Konsument nachsehen, woher beispielsweise der Kakao stammt, den er gerade in der Schokolade verzehrt.

Blockchainwelt: Das Lieferkettengesetz ist ja auch dafür eingetreten, kommt es hier nicht zu einer „Entmenschlichung“, wenn immer mehr Sensoren die Arbeit von Menschen übernehmen?

Matthias: Daten sind Teil des Produktes geworden und Daten ersetzen Geld. Lieferketten werden aber nicht entmenschlicht, sondern beinhalten die Möglichkeit, den Rohstofflieferanten in den Ursprungsländern mehr Macht an die Hand zu geben.

Das stärkt ihre allgemeine Position innerhalb des Marktes und der Lieferketten. Am Ende profitiert der Verbraucher davon, und der legt heute mehr denn je Wert auf Transparenz und Sicherheit der Daten.

Blockchainwelt: Wie sieht es im Thema Smart City mit den Daten aus? Auch hier ist der Verbraucher darauf angewiesen, den zur Verfügung gestellten Daten vollständig zu vertrauen.

Stephan: In der Smart City der Zukunft ist alles datenvernetzt, es wird keine unabhängigen Mobilitätsanbieter mehr geben, sondern ein Netzwerk aus Anbietern. Diese sind nur über Daten miteinander verbunden. Daten sind hier praktisch der Kleber zwischen den Angeboten.

Um ein hochvernetztes Angebot zu erhalten, muss ich die Daten aber steuern. Auch bei der Energieversorgung in der Smart City braucht es ein sicheres Verfahren zum Validieren von vertrauenswürdigen Daten. Die Energiesteuerung erfolgt auf P2P-Plattformen, die halbautonom beispielsweise bei Überkapazität Strom ins Netz speisen.

An diesen Stellen kommen unsere Oracles zum Einsatz, denn sie sorgen dafür, dass die vertrauenswürdigen Daten gut abgesichert und vor Hackern geschützt sind.

Blockchainwelt: Dann blickt ihr sehr positiv in die Zukunft, denn durch die zunehmende Vernetzung von Edge Devices braucht es auch immer genügend Schutzmechanismen gegen Angriffe von außen.

Stephan: Ja, das stimmt schon. Wir entwickeln uns aber ständig weiter, denn wir sehen, dass in Zukunft die Herausforderung sein wird, diese Netzwerke abzusichern, damit sie nicht manipulierbar sind. Die Blockchain gibt uns die Möglichkeit, die Daten dezentral abzuspeichern, was die Sicherheit zusätzlich erhöht.

Blockchainwelt: Kommen wir zum Abschluss zu eurer Sternibirke. Bald steht wieder die dunkle Jahreszeit und Weihnachten vor der Tür. Wird die Birke im Garten von CEO Stephan Noller auch dieses Jahr wieder zum Leuchten gebracht?

Stephan: Aber natürlich, die Birke hat ja schon eine eigene Fangemeinde, die jedes Jahr darauf wartet, dass sie erleuchtet werden kann. In der Gründungsphase wollten wir damit zeigen, was uns vorantreibt, welche Ideen wir für die Zukunft haben.

Sternibirke

Da kam uns die Idee, dass wir nicht alltägliche Dinge als Edge Device präparieren und diese mit dem Internet verbinden.

Als Symbol diente die Birke in meinem Vorgarten, die über einen Tweet mit der Erwähnung @SterniBirke von jedermann angesteuert, also zum Leuchten gebracht werden kann.

Sie geht also beim Antwittern kurz an oder aus.

So wird aus einem lokalen Ereignis ein globales Ereignis, nur durch die Vernetzung als Edge Device im IoT. Genau das wollten wir damit zeigen.

So Ende November oder Anfang Dezember werde ich die Sternibirke wieder mit Lichterketten ausstatten und ans Internet anschließen. Das Internet beseelt Dinge, das fanden wir mit dieser Idee gut transportiert.

Blockchainwelt: Vielen Dank für das interessante Interview und die Einblicke in die Ideen und Visionen des Unternehmens. Ich werde dann kurz vor Weihnachten auch mal die Sternibirke zum Leuchten bringen!

Autor
Autorin

Stefanie Herrnberger ist als freiberufliche Referentin und Redakteurin tätig. Ihre langjährige berufliche Erfahrung im Bereich der Industrie 4.0, Digitalisierung und Blockchain bieten ihr den perfekten Background, um über Anwendungsfälle der Distributed-Ledger-Technologie in der globalen Industrie und Wirtschaft zu berichten.

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