Tokenisierung & Startups: Die Digitalisierung der Immobilienbranche

Das Betongold hat in den vergangenen Jahren stark an Wert gewonnen. Nichtsdestotrotz ist die Digitalisierung noch nicht final in der Immobilienbranche angekommen. Noch immer gehören Immobilien zur analogen Welt – entsprechend illiquide ist diese Anlageklasse. Die steigenden Transaktionskosten sorgen außerdem dafür, dass nur wenige Investoren erfolgreich auf dem Immobilienmarkt agieren können. Allerdings schicken sich Startups dazu an, diesen Umstand zu revolutionieren. Die Immobilien sollen den Weg in die digitale Welt vollziehen. Mithilfe von Security Token, welche im sogenannten Security Token Offering (STO) emittiert werden,  soll die Liquidität dieser Anlageform steigen. Welches Potenzial die Tokenisierung dieser Anlageklasse wirklich hat, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Startups digitalisieren den Immobilienmarkt mit STOs

Im internationalen Vergleich sind deutsche Wohnimmobilien noch immer günstig bewertet. Nichtsdestotrotz gehört diese Anlageklasse zu den kostspieligsten Möglichkeiten zur Kapitalanlage, denn die Transaktionsgebühren eines einzelnen Objekts liegen mindestens im vierstelligen Eurobereich. Junge Unternehmen wie Exporo, Peakside oder die Fundament Group arbeiten weiterhin an der Digitalisierung der Branche.

Die Unternehmen arbeiten aktiv an der Demokratisierung der Immobilieninvestments. Dabei sollen sich Anleger bereits mit kleinen Beträgen an Millionenobjekten beteiligen können. Mithilfe dieses Ansatzes soll sich das illiquide Anlageprodukt zur modernen und digitalen Geldanlage transformieren.

Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance and Management sieht in den ersten neuen Angeboten jedoch keine neue Investmentklasse. Vielmehr handelt es sich um gelungene Experimente. Diese sollen in Erfahrung bringen, welche digitalen Technologien für die Entwicklung neuer Geldanlageprodukte geeignet sind. Außerdem sollen die Tests verdeutlichen, dass diese Technologien die harten Regularien der BaFin erfüllen.

Security Token erleichtern Immobilienhandel
Security Token erleichtern Immobilienhandel

Security Tokens im Zentrum der Tokenisierung (STO)

Kernbestandteil der Digitalisierungsansätze sind die sogenannten Security Token. Mithilfe dieser besonderen Tokens können sich Privatanleger bereits mit einer kleinen Anlagesumme an einer Immobilie beteiligen.

Der aktuelle Markt bietet solche Möglichkeiten nicht. Entweder können Anleger komplette Immobilien erwerben, sich an einem geschlossen Immobilienfonds beteiligen, Anteile an einen börsennotierten Immobilienunternehmen oder einem REIT erwerben. Während Direktinvestments oder Immobilienfonds hohe Transaktionskosten aufweisen, unterliegen Immobilienkonzerne einer Versteuerung und REITs ausländischen Gesetzen. Außerdem sind börsennotierte Immobilienunternehmen breit diversifiziert und repräsentieren ein komplettes Immobilienportfolio.

Digitale Token ermöglichen dahingegen ein Direktinvestment in ein bestimmtes Objekt. Außerdem sind diese Blockchain-basierten Token nicht von Banken abhängig. Dementsprechend entfallen kostspielige Intermediäre bei gleichzeitiger Rechtssicherheit. Des Weiteren sollen Security Tokens einen realen Gegenwert bieten, welcher sich in Form der Immobilien manifestiert. Die Ausgabe des Tokens erfolgt nach einer Prüfung der BaFin.

Anleger erhalten durch Tokenisierung mitgliedschaftliche Rechte

Mit Bitbond hat das erste Unternehmen im März 2019 ein Security Token in Deutschland ausgegeben. Dabei finanziert das Unternehmen Selbständige und Kleinunternehmen mithilfe von Token, in welche Anleger investieren können. Im Anschluss haben immer mehr Unternehmen das Potenzial der Technologie erkannt und Geschäftsmodelle für die Immobilienbranche entwickelt.

Wie die BaFin feststellte, stehen den Token-Inhabern „mitgliedschaftliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts zu“. Dementsprechend haben die Investoren einen Anspruch auf eine Verzinsung oder Dividenden-ähnliche Gewinnbeteiligungen.

Die Renditen der Startups sind unter Berücksichtigung der aktuellen Zinsphase beachtlich. So stellt Exporo für eine im Sommer tokenisiertes Ärztehaus eine Rendite von vier Prozent in Aussicht. Bei Klickown soll sich die jährliche Rendite auf drei bis sieben Prozent belaufen.

Die Anleger profitieren unmittelbar von den Vorteilen der Blockchain-Technologie. Demnach sollen die Kosten durch den Einsatz der Token sinken.

„Da einerseits die Banken bei der Emission und andererseits eine Verwahrstelle entfallen, spart dies Kosten.“ – Radoslav Albrecht, Gründer von Bitbond

Die Verwahrung der Token erfolgt anschließend in der digitalen Wallet der Nutzer – auch hier entfallen die Kosten für die Verwaltung eines kostenpflichtigen Depots.

Sind Security Tokens nur nachrangige Anleihen?

Aus der Finanzbranche kommt auch Kritik an den Security Tokens, denn diese seien kein neues Finanzprodukt.

„In der Regel handelt es sich um Anleihen, die im Verhältnis zu anderen Gläubigern nachrangig sind.“ – Eric Romba, Partner der Anwaltskanzlei Linden Partners

So merkt Romba an, dass die Security Token vergleichbar mit anderen Anlagemöglichkeiten aus dem Bereich der Crowdinvesting-Plattformen seien. So verdeutliche das Beispiel Exporo, dass rund 60 Prozent des Kapitals durch ein Bankdarlehen und weitere 40 Prozent sowie die Nebenkosten durch eine Anleihe finanziert wurden. Die Anleihe konnten Anleger bei Exporo zeichnen und im Gegenzug Security Token erhalten.

Die entsprechende Anleihe findet sich im Grundbuch des Objekts wieder – allerdings erst im zweiten Rang. Dementsprechend erhält die Bank im Problemfall als Erstes das frei werdende Kapital. Außerdem erklärt Sandner, dass die BaFin nicht das Geschäftsmodell des Unternehmens prüfe. Vielmehr sei es die Aufgabe der Aufsichtsbehörde, die Angaben des Prospekts zu validieren und auf Vollständigkeit zu überprüfen.

Tokenisierung – die Zukunft des Investmentgeschäfts

Der Exporo-Chef Brunke gilt als Verfechter digitaler Wertpapiere. Diese seien eine gute Möglichkeit, um auch kleineren Investoren eine Möglichkeit zum Investieren zu bieten. In Zukunft plane das Unternehmen sogar Ein-Euro-Stückelungen.

Obwohl sich die Token im Grundsatz nicht wesentlich von Immobilienfonds unterscheiden, gibt es einige grundsätzliche Unterscheidungsmerkmale. So bedeutet ein Investment in einen offenen Immobilienfonds stets ein Investment in ein komplettes Portfolio. Ein Token ermöglicht dahingegen das Investment in ein einzelnes Objekt. Auch ein geschlossener Fonds ermöglicht eine solche Anlage, kommt allerdings mit einer Nachschusspflicht daher. Dementsprechend müssen die Investoren bei einem plötzlichen Finanzbedarf frisches Kapital in den Fonds investieren.

Des Weiteren bieten die Token ein bisher unbekanntes Maß an Liquidität. Haltedauern von mehreren Jahren oder Kündigungsfristen existieren nicht. Vielmehr können die Anleger jederzeit handeln und ihr Investment liquidieren.

Kritiker sehen in Tokenisierung eine Scheinliquidität

Bisher ist die avisierte Liquidität noch nicht vollends im Markt angekommen. Dies lässt sich auf die Eigenschaften der Token zurückführen. So besitzen diese zumeist eine feste Laufzeit über zehn Jahre. Außerdem ist eine vorzeitige Kündigung nicht möglich. Auch der Handel erfolgt nicht über eine öffentliche Börse, sondern über die Plattform des Anbieters. Dieser Umstand könnte sich im kommenden Jahr allerdings ändern, denn die Börse Stuttgart plant die Entwicklung eines Handelsplatzes für Security Token.

Exporo plant im kommenden Jahr sogar die Installation eines Market Makers. Dieser soll die Token gegen einen Abschlag auf den Verkaufspreis aufkaufen. Dieser Preis berechne sich anhand der aktuellen Mieteinnahmen, den Marktwert der Immobilie oder dem Fremdkapitalanteil. Die Plattform Klickown setzt bei den Token auf das Stellar-Protokoll. Dieses ermöglicht den Handel über die Stellar Decentralized Exchange. Trotzdem ist die Liquidität im Vergleich zu klassischen Börsen vergleichsweise gering.

„In Immobilien zu investieren soll am Ende so einfach sein, wie online Turnschuhe zu kaufen und gleichzeitig die kompletten regulatorischen Anforderungen erfüllen.“ – Eric Romba, Partner der Anwaltskanzlei Linden Partners

Auch Sandner erwartet in Zukunft, dass Anleger auf Security Tokens setzen, um einfacher und günstiger in Immobilien zu investieren.

Tokenisierung eröffnet Immobilienmarkt für Kleinanleger
Tokenisierung eröffnet Immobilienmarkt für Kleinanleger

Fazit: Die Tokenisierung ist ein Megatrend im Immobiliengeschäft

Neue Marktteilnehmer wie Exporo, Klickown oder Bitbond verdeutlichen, dass neue Geschäftsmodelle auch eine analoge Branche wie das Immobiliengeschäft transformieren können. Dabei ermöglichen die Security Tokens besonders kleinteilige Investitionen in einzelne tokenisierte Objekte. Auch in anderen Bereichen spielt die Tokenisierung eine tragende Rolle. Wichtig für die erwartete Transparenz bleibt der Aufbau passender Handelsplätze – zentralisierte Plattformen bieten nicht den versprochenen Liquiditätsvorteil.

Als privater Kapitalanleger begrüße ich den Ansatz der Tokenisierung. Insbesondere die Renditen von drei bis sieben Prozent stellen eine gute Möglichkeit dar, um die persönliche Portfolioperformance in der anhaltenden Niedrigzinsphase abzusichern. Nichtsdestotrotz ist ein gehebeltes Immobilieninvestment noch immer die lukrativere, allerdings auch kapitalintensivere Möglichkeit zum Investieren. Zudem müssen die Anbieter noch am Ausbau der Liquidität arbeiten. Ist diese gewährleistet, kann dieser Aspekt auch eine niedrigere Rendite rechtfertigen.

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