Deutsche Privatbanken fordern Einführung eines digitalen Euros
Facebook Pläne zur Veröffentlichung der Digitalwährung Libra haben den internationalen Finanzmarkt schockiert. Zuvor haben bereits Währungen wie Bitcoin oder Ethereum für Aufsehen gesorgt, doch ein großflächiger Einsatz erschien eher unwahrscheinlich. Dieses Problem sollte Libra lösen. Auch China arbeitet an der Einführung einer digitalen Staatswährung und könnte diese noch 2020 einführen. Aus Sicht deutscher Finanzinstitute gab es lange Zeit keinen Grund, um eine solche Währung einzuführen. Allerdings hat sich diese Haltung nun grundlegend geändert und die Forderung nach einer raschen Einführung prägt nun das Stimmungsbild.
Deutsche Privatbanken fordern europäische Digitalwährung
Jüngst hat sich der deutsche Privatbankenverband (BdB) für die Einführung eines digitalen Euros ausgesprochen. Laut Andreas Krautscheid, dem Hauptgeschäftsführer der BdB, sei „die Zeit des Zögerns und Philosophierens“ vorbei. Gleichzeitig fordert Krautscheid eine Erhöhung des Entwicklungstempos in Deutschland. Als ehemaliger Politiker sieht der BdB-Geschäftsführer auch politische Gründe, die für eine rasche Entwicklung sprechen.
Immerhin hänge die Souveränität der EU von der Einführung eines digitalen Euros ab. Grund für diese drastische Annahme ist die aktuelle Marktdominanz chinesischer und US-amerikanischer Unternehmen. Sollte Europa nicht schnellstmöglich eine eigene Lösung vorstellen und einführen, bestehe die Gefahr, dass wir am Ende des Tages die Innovationskraft auf zwei führende Nationen fokussieren.
Die Forderung nach einer digitalen Währung ist dabei nicht haltlos, sondern eine Forderung aus der deutschen Wirtschaft. Insbesondere die wichtigen Industriekonzerne fordern die schnelle Einführung einer programmierbaren Währung. Nur so sei es möglich, Zahlungen auf Basis der Blockchain-Technologie abzuwickeln. Sollten keine entsprechenden Lösungen existieren, müssen die Konzerne ausländische Bezahldienste verwenden. Für den BdB ist dies eine alarmierende Entwicklung, die so nicht stattfinden dürfe.
Europa liegt bereits heute zurück
In der jüngeren Vergangenheit haben sich die Bundesregierung, die EZB und die Bundesbank mit digitalen Währungen beschäftigt. Auch in den Finanzinstituten gibt es zahlreiche Pilotprojekte, welche sich mit dem Einsatz digitaler Währungen befassen.
Allerdings sind aus Sicht des BdB solche Einzelprojekte nicht ausreichend, um erfolgreich einen Wandel zu vollziehen. So braucht es Standards für einen programmierbaren Euro. So sei es für die kommenden zwei Jahre unerlässlich die Rahmenbedingungen für Digitalwährungen zu definieren. Diese Rahmenbedingungen sind für den wirtschaftlichen Erfolg des gesamten Euroraums unerlässlich. Insbesondere das Positionspapier „Europas Antwort auf Libra: Potenzial und Bedingungen eines programmierbaren Euro“ verdeutlicht den Fahrplan des deutschen Privatbankenverbands.
Aus dem Positionspapier geht auch hervor, dass die Politik eine gestaltende und koordinierende Funktion einnehmen müsse, um eine fristgerechte Umsetzung zu garantieren. So solle die Bundesregierung und die europäische Kommission einen Prozess formulieren, welcher die Etablierung der programmierbaren EU-Währung fokussiert.
Deutsche und europäische Privatbanken müssen Zusammenarbeiten
Ein wichtiger Erfolgsfaktor sei auch die enge Kooperation von europäischen und deutschen Privatbanken. Hier müsse die EU-Wettbewerbskommission handeln und passende Rahmenbedingungen schaffen. So seien die US-amerikanischen Technologieunternehmen viel zu präsent, um von einem einzigen Finanzinstitut überholt zu werden.
Auch Thomas Heilmann, Bundestagsabgeordneter der CDU, unterstützt den Ansatz des BdB. Smart Contracts und eine programmierbare Version des Euros seien unerlässlich, um die Wettbewerbsposition Deutschlands zu schützen. Europa müsse jetzt handeln, um die Infrastruktur für eine eigene Währung zu schaffen. Unsere Währung dürfe nicht auf der Infrastruktur nichteuropäischer Organisationen fußen.
„Wir hinken schon hinterher“ – Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School
So habe beispielsweise China bereits im Jahr 2014 mit der Entwicklung einer Central Bank Digital Currency (CBDC) begonnen. Diesen technologischen Rückstand müsse Europa nun aufholen. Folglich sind die Äußerung von Christine Lagarde – sie forderte eine Vorreiterrolle Europas bei der Entwicklung einer Digitalwährung – aus dem Jahr 2019 zwar lobenswert, doch eher Augenwischerei.
Bundesregierung ohne konkrete Zeitpläne
Auf eine Frage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler zum aktuellen Stand der Entwicklung antwortete das Bundesfinanzministerium lediglich, dass es keine konkreten Zeitpläne gibt. Diese Rückmeldung war zwar zu erwarten, zeigt allerdings, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Auch die deutschen Finanzinstitute äußerten sich in der jüngeren Vergangenheit eher verhaltend. Dabei führten die Banken an, dass die Auswirkungen von Digitalwährungen auf die Finanzstabilität noch nicht ausreichend erforscht seien. Außerdem sei auch ein Zusatznutzen für die Bevölkerung aufgrund der hohen Akzeptanz von Bargeld nicht gegeben. Auch der BdB geht in seinem Positionspapier auf die Unklarheiten und Risiken ein. Nichtsdestotrotz sei die Einführung einer solchen Währung unabdingbar für den weiteren Erfolg des Währungsraums.
Einen möglichen Ansatz, den der BdB sieht, ist die zweistufige Einführung einer programmierbaren Alternative zum Euro. So könnten im ersten Schritt Privatbanken eine entsprechende Währung einführen. Im zweiten Schritt könne diese Digitalwährung dann zu Leitwährung werden. Hier wiederspricht Krautscheid dem Positionspapier. Aus seiner Sicht sei eine parallele Einführung für die Adaption förderlicher.
BdB für keine abweichende Bereitstellung von Zentralbankgeld
Etwas verwunderlich ist die Aussage, dass die Bereitstellung des digitalen Zentralbankgeldes auf dem gleichen Wege funktionieren soll wie bisher: Durch Kreditvergabe. Dies wiederspräche dem Ansatz der dezentralen Kryptowährungen, denn diese weichen im Grundsatz stark vom etablierten Geldsystem ab. Durch die Kreditvergabe könnten die Geschäftsbanken das Geld mehrfach vergeben und neues Geld in Umlauf bringen. Die einzige offensichtliche Änderung in diesem Falle wäre die Verabschiedung vom Bargeld.
Alternativ ließe sich das digitale Zentralbankengeld auch direkt an die Kunden ausgeben. So hat bereits Ulrich Bindseil, Generaldirektor der EZB vorgeschlagen, dass jeder Kunden ein Konto bei der Zentralbank für den Zahlungsverkehr erhält. Sollten die Haushalte mehr als 3.000 Euro Kapital anlegen, dann könne die EZB direkt Negativzinsen erheben – die Wirtschaft würde vom steigenden Konsum profitieren.
Dieser Ansatz wäre in der Realität wohl nur schwer umsetzbar, denn die Bilanzen sämtlicher Zentralbanken würden explodieren. Viel zu viele Nutzer müssten auf die Konten zugreifen und einen Großteil der Zahlungsströme hierrüber abwickeln.
Fazit: Forderungen nach digitalen Euro werden lauter
Nachdem sich die Geschäftsbanken im April noch etwas verhalten über die Einführung eines digitalen Euros geäußert haben, macht sich nun der deutsche Privatbankenverband für eine zeitnahe Einführung der digitalen Zentralbankwährung stark. Die Gründe hierfür sind vielfältig – zentrale These ist jedoch, dass Deutschland und Europa gegenüber den Wettbewerbern an Relevanz verlieren würden.
Bisher gab es nur mehrere Pilotversuche, welche sich mit der Blockchain-Technologie zur Transaktionsausführung beschäftigt haben. Bis zur finalen Umsetzung eines entsprechenden Konzepts dürften noch einige Jahre vergehen. Aus meiner Sicht ist das Positionspapier des BdB ein erstes positives Signal, welches sich für den digitalen Euro ausspricht. Sollten Politik und die deutschen Privatbanken jetzt aus der Schockstarre erwachen, bestünden noch gute Chance, um eine markttaugliche Lösung zu entwickeln.