Ist Facebooks Libra Blockchain eine Bereicherung oder eine Gefahr?

Facebook hat nun endlich das Whitepaper für seinen nativen Libra Coin veröffentlicht. Der Internetriese hat große Pläne für seinen Krypto-Start mit der Libra Blockchain.

In Kürze wird die neue digitale Währung und das dazugehörige Wallet Calibra zur Verfügung stehen. Dem Ereignis stehen jedoch nicht alle positiv gegenüber.

Details zu Libra und Calibra Wallet

Bereits vor einigen Monaten sorgte die Ankündigung von Facebook, eine eigene Kryptowährung auf den Markt bringen zu wollen, für große Aufmerksamkeit.

Die genauen Details blieben jedoch bis gestern weitestgehend unter Verschluss. Das Unternehmen veröffentlichte am 18. Juni 2019 das Whitepaper für das Projekt.

Facebook verfolgt dabei zwei Hauptziele:

  1. Internationale Überweisungen erleichtern: Mit Libra soll der digitale Transfer von Geld weltweit ermöglicht werden. Die Transaktionen sind zwar nicht gebührenfrei, aber sollen sich im niedrigen Bereich befinden.
  2. Menschen ohne Bankkonto helfen: Laut Schätzungen von Facebook haben über 1,7 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugriff zu einem Bankkonto. Ein Großteil besitzt jedoch ein Mobiltelefon. Mit dem Calibra Wallet hätten diese Menschen endlich so etwas wie eine Bankkonto-Alternative.

Libra ist keine digitale Währung wie Bitcoin, sondern ähnelt eher einem Stablecoin. Doch im Unterschied zu den bisher veröffentlichten Stablecoins ist es nicht an eine Reserve gebunden.

Es wird vielmehr durch verschiedene Vermögenswerte mit geringer Volatilität gestützt. Dazu gehören unter anderem Bankeinlagen und Staatspapiere von stabilen Zentralbanken in Dollar, Pfund, Euro oder Yen.

Auch die Aufnahme von Krypto-Assets wie Bitcoin, Ethereum und Litecoin könnten zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein.

Die Kryptowährung wird auf der gleichnamigen Blockchain ausgeführt. Dabei startet sie zunächst als Permissioned Ledger. Hier zeigt sich ein weiterer Unterschied zu Kryptowährungen wie Bitcoin.

Das heißt im Gegensatz zu einem permissionless Ledger, haben bestimmte Personengruppen Zugriffsberechtigungen und können Nutzungsbedingungen innerhalb des Netzwerks ändern.

Doch nach Angaben von Facebook soll die Blockchain irgendwann in ein permissionless Ledger übergehen. Einen genauen Zeitrahmen, wann diese Umstellung erfolgen wird, gibt es bisher nicht.

Anmerkung: auch hinsichtlich WhatsApp wurden von Facebook Aussagen getätigt die später nicht eingehalten wurden.

Nutzer werden ihre Libra Coins sowohl online als auch in lokalen Geschäften ausgeben können. Aufbewahrten werden sie entweder in kompatiblen Wallet-Apps von Drittanbietern oder in Facebooks eigener Wallet.

Facebooks Calibra Wallet wird im WhatsApp Messenger oder Facebook Messenger integriert, kann jedoch auch als unabhängige App bezogen werden. Facebook betont, dass die Transaktionen pseudoanonym durchgeführt werden und keine Beziehung zu den Messaging-Konten oder reale Personendaten gespeichert werden. Dennoch müssen Kunden die KYC-Bestimmungen einhalten, wenn sie ein Wallet eröffnen möchten.

Die Calibra Wallet wird ebenso wie die Kryptowährung voraussichtlich im Jahr 2020 veröffentlicht. Das Unternehmen startet jedoch in wenigen Wochen ein Testnet.

Entwickler erhalten dann die Möglichkeit sich mit der Plattform auseinanderzusetzen, zu lesen, zu erstellen, um dann ihr Feedback abzugeben. Facebook bietet außerdem ein Bug Bounty-Programm.

Facebook und die ewige Frage nach dem Vertrauen

Die Skandale der Vergangenheit verfolgen Facebook bis heute. Für viele Beobachter ist es daher schwer zu glauben, dass Nutzer nach dem Vertrauensmissbrauch mit ihren persönlichen Daten nun bereitwillig auch ihre finanziellen Daten in die Hände von Facebook legen würden.

Das Unternehmen scheint dieses Problem ebenfalls erkannt zu haben. Daher haben sie sich dazu entschlossen, die Kontrolle aus der Hand zu geben und eine klare Trennung von Facebook als Social Media Plattform und dem Libra-Blockchain-Projekt zu ziehen.

Die Kryptowährung wird von einem Unternehmenskollektiv mit dem Namen Libra Association bedient. Das Leitungsgremium ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in der Schweiz.

Bis zum Start der Blockchain im Jahr 2020 plant die Organisationen im Idealfall 100 geografisch verteilte Gründungsmitglieder zu gewinnen.

Aktuell haben sich 27 Unternehmen als Gründungsmitglieder registriert. Dazu gehören große Technologie- und Finanzunternehmen wie Visa, Mastercard, PayPal, Ebay, Uber, Spotify und viele mehr.

Um als Gründungsmitglied zugelassen zu werden und einen Validierungsknoten betreiben zu können, mussten sie jeweils mindestens 10 Millionen US$ in das Projekt investieren.

Für Universitäten, NGOs, Social Impact Partners und multilaterale Organisationen sind von dieser Bedingung ausgenommen. Sie können auch ohne Investition teilnehmen.

Für alle Knotenbetreiber gilt jedoch, dass sie die Betriebskosten ihres Knotens übernehmen müssen. Die Organisation schätzt, dass die Betriebskosten für einen Validierungsknoten bei etwa 280.000 US$ im Jahr liegen wird.

Nicht alle freuen sich auf den Start der Libra Blockchain

Viele sehen die Bemühung von Facebook nicht als Bereicherung für die Blockchain-Welt an. Binance Gründer Changpeng Zhao (CZ) witzelte über Twitter, dass für Libra keine KYC-Registrierung nötig sein und kritisierte dabei Facebooks Privatsphäre-Standards.

Weiter erklärte er, dass niemand Libra wirklich brauchen würde, denn es gäbe bereits alles Nötige. CZ scheint dabei offenbar unter anderem auf Bitcoin und Ethereum anzuspielen. Denn sein Unternehmen hat eine ungewöhnliches Giveaway-Angebot für BTC und ETH erstellt.

Andere Beobachter, wie der Krypto-Berater Peter Todd, werfen Facebook vor, in ihrem Whitepaper nicht ganz ehrlich zu sein. Denn immer wieder schreibt das Unternehmen, die Libra-Blockchain sei dezentral.

Laut Einschätzung von Todd ist es in Wirklichkeit eine zentralisierte, unskalierbare Datenbank ist. Die Kontrolle liegt also bei den Gründungsmitgliedern, die über die Knoten und damit die gesamte Blockchain bestimmen und Einsicht in die Transaktionshistorie der Nutzer erhalten.

Todd und andere werten Facebooks Vorstoß auch auf politischer Ebene kritisch. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Unternehmen versucht so etwas wie eine eigene Zentralbank aufzubauen.

Bedenkt man, dass Facebook über 2 Milliarden Nutzer weltweit hat, wird klar welches Machtpotential dahintersteckt und welches Monopol daraus entstehen könnte. 

Viele Politiker sehen Bemühungen von großen Konzernen wie Facebook, staatliche Institutionen wie Zentralbanken zu ersetzen, als äußerst kritisch.

Frankreichs Finanzminister Le Maire war einer der Ersten, der sich dafür ausgesprochen hat, Libra zu regulieren. Die Tochtergesellschaft für die Calibra Wallet ist im Financial Crime Enforcement Network registriert.

Ebenso müssen Entwickler, die dApps auf der Libra-Blockchain entwickeln wollen, die Gesetzte und Vorschriften ihres jeweiligen Landes einhalten. Doch für Facebooks Blockchain gibt es bisher keinerlei behördliche Regulationen.