DEX auf der Überholspur – Binance, Huobi und OKEx mit DeFi FOMO
An dezentralen Finanzdienstleistungen (DeFi) ist kein Vorbeikommen mehr. Aus Angst, das “nächste große Ding” zu verpassen, stürzen sich die Anleger auf jedes noch so verheißungsvolle Projekt. Innerhalb kürzester Zeit wurde aus DeFi ein Milliardenmarkt und unzählige Anwendungen schossen aus dem Boden.
Und offenbar hat die “Fear of missing out” (FOMO) auch die größten Börsen der Welt erreicht. Bekannte Vertreter, wie OKEx, Huobi oder Binance, legen den Fokus auf eigene DeFi-Anwendungen – mit teils unterschiedlichem Erfolg. Dies nehmen wir zum Anlass und werfen einen Blick auf die Aktivitäten der großen Börsen und zeigen auf, wer hier die besten Chancen auf Erfolg hat.
Interesse aus China nimmt zu – große Börsen drängen in den DeFi-Markt
Längst ist DeFi keine regionale Angelegenheit mehr. Dezentrale Finanzdienstleistungen gelten als eine Revolution im Krypto-Space und das technische Konzept ist die logische Konsequenz aus der Entwicklung digitaler Währungen. Insbesondere im chinesischen Raum wächst das Interesse an DeFi rasant. Einige der größten Börsen der Welt sind in China ansässig oder stammen zumindest aus dem Land der aufgehenden Sonne. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass die Börsen ebenfalls Aktivitäten im DeFi-Sektor gestartet haben. In der jüngeren Vergangenheit haben große Börsen, wie Huobi, OKEx oder Binance, eigene Projekte vorgestellt, die entweder bald an den Start gehen sollen oder bereits produktiv im Einsatz sind.
In diesem Zusammenhang sind die Pläne jedoch recht unterschiedlich. OKEx und Binance haben eigene dezentrale Blockchains entwickelt, Huobi gründete ein stark wachsendes Konsortium mit Mitgliedern aus der DeFi-Szene. Die bisherigen Pläne scheinen aufzugehen. OKEx bezeichnet seine OKExChain als am stärksten dezentralisierte Blockchain, Huobi konnte 10 neue Mitglieder in seinem Konsortium zählen und Binance gründete einen 100 Millionen US-Dollar schweren Fonds, um Entwickler auf seine dezentrale Binance Smart Chain (BSC) zu bringen.
Unter den Börsen scheint sich eine DeFi FOMO auszubreiten, denn viele Anleger springen von den bekannten zentralisierten Börsen (CEX) zu den noch neuen dezentralen Börsen (DEX) ab. Aufstrebende Exchanges, wie UniSwap, konnten den etablierten Schwergewichten nicht unerhebliche Marktanteile abringen. Alles deutet darauf hin, dass bei den etablierten Börsen ein Umdenken stattfindet und eine Dezentralisierung fokussiert wird.
DEX vs. CEX: Dezentrale Exchanges erhöhen den Druck
Konkurrenz ist gut und belebt das Geschäft. Doch mit dem schnellen und rasanten Erfolg dezentraler Börsen, wie UniSwap, haben sicherlich nicht alle zentralisierten Börsen gerechnet. Doch wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen DEX und CEX?
Eine zentralisierte Exchange (CEX) wickelt Kauf- und Verkaufsaufträge über eigene Computer ab, welche an die entsprechenden Blockchain-Netzwerke angeschlossen sind. Kauft nun ein Händler Kryptowährungen an dieser Börse, werden diese in einer Adresse der Börse gespeichert. Sprich: das Guthaben des Käufers ändert sich, die digitale Währung verbleibt jedoch strenggenommen im Besitz der Börse. Man selbst besitzt also keinen unmittelbaren Zugriff auf die jeweilige Adresse und Schlüssel (“not your Keys, not your Coins”).
Im Gegensatz dazu stehen dezentralisierte Exchanges (DEX). Diese sind direkt auf den Blockchain-Netzwerken aufgesetzt. Die Geschäfts- und Handelstätigkeiten übernimmt ein Automated Market Maker (AMM), welcher in der Regel durch Smart Contracts gesteuert wird. In diesem Szenario gibt es also keine dritte Partei in Form einer zentralisierten Börse, sondern der Anwender ist selbst Käufer und Halter der gekauften Kryptowährungen. Aufgrund des dezentralen und anonymen (es gibt im Normalfall keine “Know your Customer”-Prüfungen) sind dezentrale Börsen im Laufe des DeFi-Booms immer beliebter geworden.
DEX auf der Überholspur
Längst zeigt sich der Aufschwung dezentraler Exchanges auch in den Zahlen. Anfang September 2020 verzeichnete die amerikanische DEX UniSwap ein höheres Handelsvolumen als der ebenfalls aus den Vereinigten Staaten stammende Krypto-Gigant Coinbase Pro. Im Schnitt konnten dezentrale Börsen zum selben Zeitpunkt um ein zehnfaches steigern. Unter den DEX wickelten die AMMs von UniSwap, Curve und Balancer alleine fast 90 Prozent des gesamten Handelsvolumens ab.
🤯 Wow, @UniswapProtocol 24hr trading volume is higher than @coinbase for the first time ever
🦄 Uniswap: $426M
🏦 Coinbase: $348MHard to express with how crazy this is. pic.twitter.com/48o0xRkiUo
— Hayden Adams 🦄 (@haydenzadams) August 30, 2020
China als wichtiger Markt
Seit jeher ist China ein wichtiger Markt im Bereich der Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie. Nicht nur dezentrale Exchanges profitierten von dem Ansturm auf die neuen DeFi-Projekte. Auch die vielen aus China stammenden CEX intensivieren aufgrund des steigenden Interesses an DeFi ihr Schulungsangebot für Nutzer aus Asien und dem Rest der Welt. Huobi will mit seinem zuvor erwähnten DeFi-Konsortium im ersten Schritt Schulungsveranstaltungen abhalten. Sharlyn Wu, CIO von Huobi, will gezielt asiatische Anleger im Bereich der verschiedenen DeFi-Protokolle seines Konsortiums schulen. Teil dieser Vereinigung sind bislang namhafte Protokolle, wie Aave, Compound, Curve und Maker.
Doch die Ereignisse im Jahr 2017 und Anfang 2018, als viele Chinesen während des Krypto-Booms viel Geld verloren, scheinen Spuren hinterlassen zu haben. Laut Untersuchungen des in Hongkong ansässigen Finanzforschungsunternehmens Babel Finance hielten sich vor allem chinesische Anleger in der ersten Phase des DeFi-Booms noch zurück. Viele würden heute nicht mehr blind investieren, sondern sind bewusst auf der Suche nach Schulungsangeboten.
DeFi FOMO treibt zentrale Börsen an
Changpeng Zhao, CEO von Binance, gab kürzlich auf dem Word of DeFi-Kongress seines Unternehmens an, dass die Binance Smart Chain (BSC) voll in die bestehende Ökonomie von Binance integriert werden soll. Aus unternehmerischer Sicht ist der Betrieb einer DEX laut Zhao sehr viel günstiger als das zentralisierte Gegenstück. Die BSC ist nach dem mäßigen Interesse an “Binance DEX” der zweite Versuch einer dezentralen Exchange. Zwar gibt es bereits heute erste Versuche neue DeFi-Anwendungen auf der BSC zu platzieren, Kritiker sehen jedoch einen vorschnellen Versuch, nicht den Kontakt zum DeFi-Markt zu verlieren.
Einen vielversprechenden Ansatz sehen Experten dagegen in den Planungen der Börse OKEx. Der Binance-Konkurrent arbeitet derzeit an der OKExChain, welche ähnliche Einsatzzwecke wie die BSC aufweist. Doch OKEx scheint hier schon einen Schritt weiter zu sein. Nach eigener Aussage ist die OKExChain deutlich leistungsfähiger und schneller als die Ethereum-Blockchain. Diese Eigenschaften sollen DeFi-Projekte überzeugen OKEx anstelle von Ethereum als technische Basis in Betracht zu ziehen. Gleichzeitig ermöglicht eine direkte Anbindung an Ethereum die Interoperabilität beider Ketten. Su Zhu von Three Arrows Capital lobte das Projekt von OKEx und sieht aufgrund anhaltender Gebühren- und Skalierungsprobleme von Ethereum einen baldigen Übergang von DeFi -Projekten auf nicht-Ethereum-Blockchains.
Für alle großen CEXs könnten die kommenden Wochen und Monate eine äußerst sensible Phase werden. Viele Anleger haben die Vorteile dezentraler Exchanges erkannt und kehrten etablierten Börsen den Rücken zu. Su Zhu sieht zwar kein Sterben der großen zentralisierten Börsen, aber sie seien nur noch “[…] ein Tor zu Defi ” und kein Ort “[…] wo die Benutzer letztlich ihre Zeit verbringen”. Es muss Börsen wie Binance, Huobi und OKEx also gelingen, den neuen Trend DeFi in ihre bestehende Ökonomie einzubinden, ohne sich selbst zu kannibalisieren. Nur wenn das gelingt, können sie langfristig erfolgreich am Markt agieren.
Zusammenfassung: DeFi FOMO sorgt für Stress bei den zentralisierten Exchanges
Dezentrale Finanzdienstleistungen (DeFi) und dezentrale Exchanges (DEX) erobern derzeit den Markt. Doch nicht nur unter den Anlegern, auch unter den zentralisierten Börsen (CEX) sorgt der neue Trend für eine DeFi FOMO – also die Angst, zu spät auf den Erfolgszug aufzuspringen. Aus diesem Grund bemühen sich praktisch alle großen Börsen darum, eigene Projekte und Möglichkeiten an den Start zu bringen, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Die Projekte gehen alle in eine ähnliche Richtung, wenngleich der Ansatz zur Umsetzung gänzlich verschieden ist. OKEx bietet eine schnelle Infrastruktur mit Anbindung an Ethereum, Binance gewährt DeFi-Entwicklern Zugriff auf eine vollumfängliche Smart Chain und Huobi will führende DeFi-Projekte an einen Tisch bringen und im eigenen Ökosystem integrieren.
Die Herausforderung für die zentralisierten Exchanges besteht darin, einerseits den Kontakt zum DeFi-Markt nicht zu verlieren und andererseits der DeFi FOMO zu trotzen und passende DeFi-Funktionen in die eigenen Systeme zu integrieren. Langfristiger Erfolg wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit nur dann einstellen, wenn dieser Wandel funktioniert und die Angebote von den Anlegern genutzt werden.