Wie funktioniert die Technische Analyse von Kryptowährungen?
Der Handel mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen zieht vermehrt neue Investoren an, welche von den starken Preisschwankungen profitieren möchten. Dabei sind jedoch längst nicht alle in diesem volatilen Markt auch profitabel. Viele verfolgen keine klare Strategie und vertrauen auf ihr Bauchgefühl. Dabei kann die Technische Analyse ein nützliches Werkzeug sein, um den Kursverlauf zu bestimmen.
Auch wenn der Kurs von Kryptowährungen oft starken Schwankungen unterliegt, so gibt es dennoch auch Situationen, in denen der Preis an bestimmte Faktoren gebunden ist. Somit lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses besser abschätzen und das Risiko beim Handel kann dadurch sinken.
Die Technische Analyse grenzt sich dabei von der Fundamentalanalyse und der Sentimentanalyse ab, da sie auf mathematischen Variablen beruht. Sie basiert dadurch hauptsächlich auf den Geschehnissen am Markt, beispielsweise am Handelsvolumen oder der Anzahl der Käufer.
So funktioniert die Technische Analyse
Um den besten Zeitpunkt zum Kaufen oder Verkaufen einer Kryptowährung zu bestimmen, kommt oft die Technische Analyse zum Einsatz. Sie basiert auf den historischen Werten des Kurses und ist somit unabhängig von den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (vgl. Fundamentalanalyse). Die grundlegende Annahme ist dabei auch, dass bestimmte Ereignisse immer wiederkehren und beobachtbar sind. Aus diesen Mustern lassen sich Prognosen für die Zukunft erstellen.
Um eine Analyse zu erstellen, benötigt man ein Diagramm und den bisherigen Kursverlauf. Hierfür bieten sich spezielle Programme wie TradingView an. Manche Broker, wie etwa der eToro-Broker , bieten ihren Kunden die Nutzung aller wichtigen Werkzeug für die Erstellung eigener Charts an.
Der betrachtete Zeitraum kann sich dabei über mehrere Jahre oder nur wenige Minuten belaufen, je nach Anwendungsbeispiel. Für Daytrader spielt der kurzfristige Kursverlauf demnach eine wichtige Rolle, für Langzeitinvestoren ist der langfristige Kursverlauf entscheidend. Die gängigsten Darstellungsformen des Charts sind dabei entweder in Linien, Balken oder Kerzen. Zudem kann es nützlich sein, die Darstellung auf den Koordinaten in logarithmischer Form anzuzeigen.
Aus jedem Chart sollten die wichtigsten Informationen klar hervorgehen und ersichtlich sein. Zusätzliche Daten und Indikatoren können nach individuellen Bedürfnissen ergänzt werden.
Zeitraum und Intervalle
Der ausgewählte Zeitraum für die Betrachtung, sowie die einzelnen Intervalle spielen eine wichtige Rolle. Ein Chart kann im Intraday sehr bullish wirken, während er in einem großen Zeitfenster betrachtet sehr bearish ist.
Vergleichswährung
Die meisten Kryptowährungen können gegen verschiedenen Währungen, wie zum Beispiel Tether (USDT) oder Bitcoin (BTC), gehandelt werden. Dies ist deshalb wichtig, da eine Währung im Vergleich zum US-Dollar steigen kann, während der Wert in Bitcoin sinkt. Voraussetzung für dieses Szenario ist, dass der Bitcoin selbst im Vergleich zum US-Dollar steigt.
Marktkapitalisierung
Wie viel Potenzial eine Kryptowährung für einen starken Anstieg bzw. Verlust hat, hängt maßgeblich von der Marktkapitalisierung ab. Unabhängig von den fundamentalen Daten oder News, kann ein gesättigter Markt weniger Chancen auf einen Anstieg bieten, als ein neuer Markt mit wachsender Anzahl an frischen Käufern.
Handelsvolumen
Die Liquidität und das Handelsvolumen können sich ebenfalls direkt auf die Preisentwicklung auswirken. Sie sind zudem ein guter Indikator für die Beliebtheit und die Nachfrage nach einer Kryptowährung. Kommt es zu Divergenzen zwischen Kursverlauf und Handelsvolumen, so besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Trendwende. Steigende Preise bei fallendem Volumen können ein Zeichen für einen Preissturz sein. Die Volumenanalyse ist ein eigenes Teilgebiet der Technischen Analyse und sehr umfangreich.
Handelsplatz
Aus einem Chart sollte immer hervorgehen, auf welchem Handelsplatz die Kryptowährung betrachtet wird. Unter den verschiedenen Börsen bestehen oft große Preisunterschiede und unterschiedliche Liquidität. Dies kann eine Möglichkeit sein, um von Arbitrage zu profitieren und eine Kryptowährung zeitgleich auf verschiedenen Börsen zu handeln.
Gleitender Durchschnitt
Die Kurse der Vergangenheit sind ein wichtiger Indikator und helfen den angemessenen Preis einer Kryptowährung zu bestimmen. Der gleitende Durchschnitt zählt zu den wichtigsten Werkzeugen in der Technischen Analyse und kann sowohl linear als auch logarithmisch angezeigt werden.
Verschiedene Muster im Chart erkennen
Bei der Technischen Analyse des Charts können bestimmte Muster auftreten. Dabei sind diese Muster oft unabhängig von den betrachteten Zeiträumen und Darstellungen. Ebenso können diese Muster marktübergreifend bei verschiedenen Assets auftreten.
Gap
Bei Gaps (deutsch: Lücken) handelt es sich um Lücken im Chart, welche durch einen Kurssprung in zwei aufeinanderfolgenden Zeitintervallen verursacht wurden. Dabei unterscheidet man zwischen Gaps nach oben (Tiefpunkt des folgenden Abschnitts ist höher als das Hoch des vorigen) und Gaps nach unten (Hoch des Abschnitts ist niedriger als das Tief des vorigen).
Spike
Ein Spike (deutsch: Spitze) ist eine Kursformation, bei der sich ein deutliches Hoch bzw. Tief im Vergleich zum vorigen Zeitintervall gebildet hat. Dabei kann die Spitze dieser Formation das Maximum des Kauf- bzw. Verkaufsdrucks signalisieren und eine Trendumkehr andeuten. Je stärker ein Spike aus der aktuellen Chartentwicklung hervorsticht, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Trendwende. Spikes können zudem mit einem erhöhten Volumen einhergehen.
Trendlinie und Trendkanal
Die Trendlinien erfolgen in der Regel an den Spikes und geben den ungefähren Trend der Kursentwicklung an. Bildet sich ein Hoch, welches höher als das vorige ist, so spricht man von einem Aufwärtstrend. Hingen spricht man von einem Abwärtstrend, wenn das aktuelle Hoch tiefer als das vorherige ausfällt. Trendverläufe können durchaus über einen langen Zeitraum stabil verlaufen, wobei es auch zu kurzfristigen Ausbrüchen aus dem Kanal kommen kann.
Unterstützung und Widerstand
Innerhalb eines Trends bewegt sich der Kurs regelmäßig in beide Richtungen. Dabei ergeben sich automatisch Stellen, an denen der Preis wieder zu steigen (Unterstützung) oder zu fallen (Widerstand) beginnt. Diese Punkte markieren den idealen Zeitpunkt zum Kaufen oder Verkaufen. In einem Aufwärtstrend fallen dabei die Unterstützungen stetig höher als die vorherigen aus, in einem Abwärtstrend verhält es sich umgekehrt.
Die besten Indikatoren für Technische Analyse
Um einen Kurs besser bestimmen zu können, sollte man sich nicht auf einen einzigen Indikator verlassen. Vielmehr kann das Zusammenspiel verschiedener Strategien oft zu einem genaueren Ergebnis führen. Die Technische Analyse hängt immer von der Genauigkeit der einzelnen Faktoren ab, wobei sich diese untereinander verstärken bzw. abschwächen können.
Aus diesem Grund ist es hilfreich, die wichtigsten Indikatoren zu kennen und anzuwenden. In vielen Fällen können die Signale sowohl auf steigende und fallende Kurse zugleich hindeuten. In solch einer Situation gilt es dann, die einzelnen Faktoren gegeneinander abzuwägen bzw. nicht zu handeln, bis eine eindeutige Situation vorliegt.
Gleitender Durchschnitt
Der gleitende Durchschnitt gehört zu den wichtigsten Werkzeugen bei der Technischen Analyse, da er den Durchschnittspreis der Vergangenheit berechnet. Dieser kann über einen bestimmten Zeitraum selbst ausgewählt werden, in den meisten Fällen spielen die letzten 7, 50, 100 und 200 Tage eine wichtige Rolle. Die Skalierung kann dabei linear (Moving Average) und exponentiell (Exponential Moving Average) erfolgen.
Der Durchschnittspreis ist in der Regel als eine Linie dargestellt und fortlaufend. An den Stellen, an denen eine Linie eine andere kreuzt, erfolgt oft eine Trendwende. So kann es ein Zeichen für fallende Kurse sein, wenn der gleitende Durchschnitt der letzten sieben Tage die Linie der letzten 50 Tage von oben herab kreuzt. Im Gegenzug kann es auf steigende Kurse hindeuten, wenn der gleitende Durchschnitt der letzten sieben Tage den Durchschnitt der letzten 50 Tage von unten kommend durchbricht.
MACD
Der MACD (Moving Average Convergence Divergence) ist ein Indikator der Trendfolge und zeigt somit an, ob ein Aufwärts- oder Abwärtstrend besteht. Die Berechnung erfolgt durch die Divergenz zweier exponentiell gleitender Durchschnitte. Zudem kommt eine Trendlinie zum Einsatz.
Ein positiver MACD zeigt dabei einen Aufwärtstrend an, ein negativer signalisiert einen Abwärtstrend. Der Abstand des MACD von seiner Trendlinie spricht außerdem für die Stärke des Trends (Mit zunehmendem Abstand verstärkt sich der Trend). Ein Kaufsignal entsteht oft dort, wo der MACD die Trendlinie von unten kommend kreuzt.
Relative-Stärke-Index
Der Relative-Stärke-Index (RSI) ist ein oszillierender Indikator und gehört zu den häufigsten Indikatoren der Technischen Analyse. Er bezieht sich auf Auf- und Abwärtsbewegungen eines Basiswertes in Relation zur Zeit. Er kann linear und stochastisch dargestellt werden, außerdem kann er nur Werte zwischen 0 und 100 annehmen.
Zur Berechnung ermittelt er zuerst die Summe aller positiven und negativen Kursänderungen. Anschließend errechnet er einen Mittelwert aus diesen Summen. Als Richtwert gilt ein RSI von über 70 als unterverkauft und deutet somit einen möglichen Fall des Kurses an. Im Gegenzug zählt ein RSI unter 30 als überverkauft und deutet somit auf steigende Kurse hin. Je nach Börsenumfeld und Marktsituation können sich diese Werte auch ändern.
Bollinger Bänder
Die Bollinger Bänder sind ein Verfahren in der Chartanalyse, welches auf dem Prinzip der Normalverteilung basiert. Dabei geht man davon aus, dass sich ein Kurs mit höherer Wahrscheinlichkeit in der Nähe eines Mittelwertes der vergangenen Tage bewegt, als weit davon entfernt.
Zum Einsatz kommen bei den Bollinger Bändern ein gleitender Durchschnitt, sowie zwei empirische Standardabweichungen. Diese Standardabweichungen werden als zwei Bänder dargestellt, welche die Durchschnittslinie jeweils oberhalb und unterhalb begleiten. Je näher die beiden Bänder am Durchschnittswert liegen, desto höher ist die Chance auf eine starke Änderung im Kursverlauf. Dabei ist jedoch vollkommen offen, in welche Richtung sich diese Änderung vollziehen wird.
Fibonacci Retracement
Das Fibonacci Retracement orientiert sich an den Unterstützungen und Widerständen in einem Chart. Die Fibonacci-Folge beruht auf einem Ansatz, welcher besagt, dass Korrekturen im Markt nach einem bestimmten und vorhersehbaren Prozentsatz erfolgen.
So kann nach einer Korrektur der Preis stark ansteigen, da viele Käufer einen guten Einstiegspunkt gesehen haben. Bei einem Widerstand verhält es sich genauso, da sich der Verkaufsdruck erhöht und der Kurs nach unten korrigiert. Ausgangspunkt für die Messung des Fibonacci Retracement ist der höchste bzw. tiefste Punkt, von welchem aus korrigiert wird.
Da ein einzelner Indikator in der Regel nicht viel Aussagekraft hat, sollte man stetig neue Indikatoren ausprobieren und kennenlernen. Oftmals lässt sich eine Entscheidung erst in Kombination aus verschiedenen Strategien ablesen.
Technische Analyse bei Bitcoin
Zur Veranschaulichung führen wir die Technische Analyse am Beispiel Bitcoin durch. Dabei kommt der Handelsplatz Coinbase zum Einsatz, da dort gegen Euro gehandelt werden kann. Zudem zählt er zu den beliebtesten und weist ein sehr hohes Handelsvolumen auf. Die Analyse erfolgt für den Zeitraum März bis Juni 2020 und gibt einen Trend für die folgenden Monate an.
Als Indikatoren kommen zwei gleitende Durchschnitte (MA7 und MA50) und der Relative-Stärke-Index zum Einsatz. Seit dem starken Kurseinbruch am 12. März 2020 befindet sich Bitcoin aktuell in einem stabilen Aufwärtstrend mit leichten Ausbrüchen. Der Preis konnte sich seitdem verdoppeln und datiert Ende Juni bei 8.200 Euro.
Der Relative-Stärke-Index befindet sich bei 40 und könnte dadurch auf einen Kursanstieg deuten. Jedoch befindet sich der MA7 (grüne Linie) auf der gleichen Höhe wie der MA50 (gelbe Linie) und durchkreuzt diesen von oben kommend. Dies könnte ein Zeichen für einen weiteren Preissturz sein und mahnt deshalb zur Vorsicht.
Um eine genauere Analyse der Situation zu erhalten, könnten in diesem Fall noch weitere Indikatoren hinzukommen. Falls keine Entscheidung getroffen werden kann, empfiehlt es sich immer an der Seitenlinie zu warten und sich nicht auf dem Markt zu platzieren. Besonders durch die Auswirkungen der Coronakrise auf Bitcoin können sich unvorhergesehene Ereignisse schnell auf den Markt auswirken.
Fazit: Die Technische Analyse gehört zu den Grundlagen
Da die Technische Analyse sehr umfangreich ist und zahlreiche verschiedene Faktoren beinhalten kann, ist sie ein sehr nützliches Werkzeug zum Analysieren von Kryptowährungen. Dabei kann der Kurs von grundlegend bis fortgeschritten bewertet werden, wodurch sich dieses Tool für Einsteiger und Profis gleichermaßen eignet.
Der beste Indikator für die Qualität einer Analyse ist jedoch immer die Erfahrung. Je öfter die eigene Strategie getestet und bestätigt wurde, desto einfacher kann man seinen eigenen Handel darauf auslegen.
Jedoch sollte man sich stets bewusst sein, dass es kein Mittel zum Vorhersagen des Kurses gibt und alle Formen der Analyse lediglich der Risikoeinschätzung dienen. Besonders im Markt der Kryptowährungen kann es zu irrationalen Verläufen kommen. Diese starken Preisschwankungen bringen unter anderem ein erhöhtes Risiko beim Handel mit Kryptowährungen mit sich, ermöglichen den Teilnehmern am Markt aber auch bessere Gewinne.