CircularTree: Blockchainwelt Interview zu CO₂-Daten in Lieferketten

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Blockchainwelt: Hallo Gunther und Elias. Schön, dass es heute mit dem Termin für das Interview geklappt hat. Unsere Leser freuen sich auf Hintergrundinformationen und Details über euer Start-up CircularTree.

Gunther: Hallo Stefanie, wir freuen uns auch, denn das Interview ist eine gute Gelegenheit für uns, über unser junges Unternehmen zu berichten, das sich mit Blockchain, Nachhaltigkeit und Supply Chain beschäftigt.

Blockchainwelt: Wie ist es zur Gründung und der Namensgebung gekommen?

Gunther: Ich habe lange Jahre in einem Konzern gearbeitet und wollte mich dann auf ein Impact-Thema fokussieren. Eines der Themen, das mich schon seit meinem Studium beschäftigt hat, war der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome.

Darin geht es um die Zukunft der Weltwirtschaft und es wurden mittels Computersimulation verschiedene Szenarien betrachtet. Es erschien mir dann absolut logisch, dass ein geschlossenes Ökosystem auf längere Zeit nur mit einer Kreislaufwirtschaft funktionieren kann.

Bezüglich des Namens haben wir überlegt, was könnte gut die Circular Economy beschreiben und fanden CircularTree einen guten Begriff.

Gunther Walden, CEO & Gründer

Gunther hatte mehrere Senior-Management-Positionen bei Siemens in Deutschland und den Vereinigten Staaten inne.

Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in globalen Lieferketten und Prozessautomatisierung. Gunther ist außerdem Gastdozent und sitzt in Beratungsgremien für Start-ups.Gunther Walden CEO CircularTree

Dr. Elias Strehle, CTO

Elias hat einen Hintergrund in Mathematik und als Data Scientist / Data Engineer. Seine umfangreiche Erfahrung in der Blockchain Technologie machte er als Forscher und Projektleiter im Blockchain Research Lab in Hamburg.

Dr. Elias Strehle CTO CircularTree

Blockchainwelt: Was sind die Leistungen, die ihr anbietet?

Gunther: Wir sind ja ein Start-up und befinden uns noch in der Pilotphase. Es geht bei CircularTree um die Nachverfolgung des CO₂-Ausstoßes in der Lieferkette.

Das Ziel ist die vollständige Transparenz des Fußabdruckes, damit die Unternehmen in die Lage versetzt werden, den CO₂-Fußabdruck ihrer Lieferkette zu reduzieren und CO₂-neutrale Produkte anzubieten.

Blockchainwelt: Warum ist das so erstrebenswert für die Unternehmen? Geht es um Marketing, Markenstärkung, wirklichen Umweltschutz oder sind es gesetzliche Vorgaben?

Gunther: Ich würde sagen, der grundsätzliche Bedarf kommt aus dem Wissen über die Folgen der Freisetzung von CO₂. Das ist der Treiber des Klimawandels und laut dem Pariser Klimaabkommen muss die Welt bis 2050 CO₂-neutral sein, um das Klimaziel von 1,5° zu erreichen.

Da wird derzeit noch an Konzepten und gesetzlichen Vorgaben gearbeitet, aber klar ist bereits heute, dass Unternehmen CO₂-neutrale Produkte anbieten müssen, um die Ziele zu erreichen.

Auch über gesetzliche Vorgaben hinaus gibt es Anreize für Unternehmen, nachhaltiger zu werden, zum Beispiel im Bereich der Produktvermarktung.

Verbraucher realisieren zunehmend, welche Bedeutung ein gesundes Klima für uns alle hat und fragen daher zunehmend CO₂-neutrale Produkte nach. Außerdem verbessern die Aktivitäten eines Unternehmens in Bezug auf die Nachhaltigkeit das Image des Unternehmens.

Das hat einen positiven Einfluss auf die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber für besonders motivierte Fachkräfte.

Auch Banken und Investoren wollen unter dem öffentlichen und politischen Druck zunehmend in nachhaltig agierende Unternehmen investieren.

Es gibt schon heute spezielle ETFs und Fonds, die ausschließlich in nachhaltige Unternehmen investieren. Man kann schon fast sagen, es gäbe einen regelrechten Run darauf.

Daher wollen Unternehmen in dem Markt einen guten Score erhalten. Es hat lange gedauert, aber heutzutage ist es unumstritten, dass Nachhaltigkeit für Unternehmen existenziell wichtig ist.

Blockchainwelt: Es gibt doch bereits Unternehmen, die CO₂-neutral sind, was könnt ihr diesen Unternehmen anbieten?

Gunther: Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, auf den wir etwas detaillierter eingehen müssen. Das Greenhouse Gas Protocol unterscheidet zwischen direkten und indirekten Emissionen von verschiedenen Treibhausgasen, die als CO₂-Äquivalente dargestellt werden.

Dabei werden 3 Bereiche unterschieden:

Scope 1 sind alle Treibhausgase, die das Unternehmen selbst emittiert, Scope 2 sind die Treibhausgase, die durch Energielieferanten des Unternehmens freigesetzt werden und Scope 3 alle Emissionen, die durch die Lieferkette verursacht werden.

Wenn ein Unternehmen CO₂-neutral ist, betrifft das üblicherweise nur die Scope-1- und Scope-2-Emissionen. Hier gibt es in der Tat schon einige Unternehmen, die eine gute Transparenz und konkrete Ziele haben, klimaneutral zu werden.

Bei den Scope-3-Emissionen gibt es heute allerdings kaum eine Transparenz. Untersuchungen des Carbon-Disclosure-Projektes besagen, dass im Schnitt 80 % der Emissionen Scope-3-Emissionen sind. Hier müssen wir also ansetzen.

Als Beispiel möchte ich hier Apple anführen. Die Firma Apple ist fast CO₂-neutral, da praktisch ausschließlich regenerative Energien eingesetzt werden.

Die Produkte werden aber von Zulieferern hergestellt, die nicht CO₂-neutral sind und diese Zulieferer haben auch Zulieferer, die nicht CO₂-neutral sind. Dadurch sind die iPhones, MacBooks u.s.w. eben nicht klimaneutral.

Blockchainwelt: Bedeutet das, dass umso tiefer die Wertschöpfungskette ist, je schwieriger ist es für Unternehmen, CO₂-neutral zu werden? Das hängt also vom Betrieb im Einzelnen ab?

Gunther: Ja, das ist richtig. Es ist für Unternehmen relativ einfach, Transparenz über Scope 1 und Scope 2 zu erhalten. Aber Produkte müssen jetzt auch CO₂-neutral werden und da liegt für viele Unternehmen das Problem.

Blockchainwelt: Was fehlt den Lieferketten aus deiner Sicht?

Gunther: Da würde ich sagen, es mangelt an Information, also Transparenz der Informationen darüber, wie die Vorprodukte hergestellt wurden. Wurden die Arbeiter fair bezahlt, gab es Kinderarbeit, wurden Gewässer verschmutzt, wie hoch ist der CO₂-Fußabdruck etc.?

Deshalb wurde beispielsweise auch das Lieferkettengesetz verabschiedet, zu dem Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller gesagt hat:

„Die Ausbeutung von Mensch und Natur sowie Kinderarbeit darf nicht zur Grundlage einer globalen Wirtschaft und unseres Wohlstandes werden.“ Quelle: Haufe

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen in Deutschland dazu, sich den Impact ihrer Lieferkette genauer anzusehen. Und wenn ein Verdachtsfall vorliegt, dass etwas in der Lieferkette nicht stimmt, dann muss diesem Verdachtsfall auch nachgegangen werden.

Unser konkreter Fokus liegt auf der Transparenz des CO₂-Fußabdrucks der Lieferketten.

Blockchainwelt: Wie sieht die Lösung aus? Nehmen wir ein einfaches Beispiel, anhand dessen ihr mir erklären könnt, wie eine Lösung aussehen könnte. Also ich kaufe ein Aluminiumregal bei der Firma Müller & Meier. Auf dem Aluminiumregal befindet sich ein Label, das aussagt, dieses Produkt wurde CO₂-neutral produziert.

Gunther: Das Aluminiumregal hat die Firma Müller & Meier vermutlich nicht komplett selbst produziert, sondern von verschiedenen Lieferanten Vorprodukte eingekauft. Etwa das Aluminiumgestell, die Einlegeböden, Schrauben, Verpackungsmaterial, u.s.w..

Müller & Meier fragt nun mit unserer Lösung jeden seiner Lieferanten nach dem CO₂-Fußabdruck seiner Vorprodukte. Mit der Stückliste für ein Regal kann dann der CO₂-Fußabdruck berechnet werden.

Heute ist der CO₂-Fußabdruck sicher noch nicht gleich null, aber er könnte über Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Das ist jedoch nur die zweitbeste Lösung, da die Kompensationswerte häufig selbst nicht nachprüfbar sind.

Die beste Lösung wäre, wenn alle Lieferanten in der Lieferkette schon CO₂-neutral arbeiten würden. Die Vermeidung von CO₂ ist auf jeden Fall nachhaltiger als die Kompensation!

Blockchainwelt: Was ist denn der Vorteil der Lösung von CircularTree aus für dieses Problem?

Gunther: Die Firma könnte seine Lieferanten für das Aluminiumregal auch direkt kontaktieren und die jeweiligen CO₂-Fußabdrücke abfragen. Gegenüber einem Anruf oder einer E-Mail hat unsere Lösung den Vorteil, dass sie skalierbar ist.

Das bedeutet, sie funktioniert auch bei einer großen Anzahl von Lieferanten und Produkten. Das wäre bei Anrufen und Mailverkehr extrem schwierig, weil zeitaufwändig und fehleranfällig. Im industriellen Maßstab ist solch ein Aufwand nicht machbar und auch nicht transparent.

Blockchainwelt: Handelt es sich also um ein Interface, eine Software mit Benutzeroberfläche?

Gunther: Ja. Letztlich bietet unsere Lösung auch ein Interface, in das man Daten eingibt und abruft. Allerdings werden diese Daten perspektivisch automatisch berechnet und über eine Schnittstelle in das System übertragen oder ausgelesen.

Dadurch reduziert sich der Arbeitsaufwand und die Fehleranfälligkeit durch manuelle Eingaben ganz erheblich.

Blockchainwelt: Was kann die Blockchain für Mehrwerte entlang der Wertschöpfungsketten liefern?

Gunther: Ich würde sagen, hier geht es vor allem um Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Wir sehen als CircularTree großen Bedarf und Potenzial für Vertrauen in der Lieferkette. Die Standards für die Berechnung von CO₂-Werten sind sehr komplex. Smart Contracts können das nicht berechnen.

Über digitale Identitäten aber können wir das Vertrauen herstellen, weil ein Prüfer eine digitale Unterschrift unter eine Berechnung setzt. Irgendwann soll es mal voll automatisiert und anonym ablaufen, daher braucht es Möglichkeiten zur Klärung von Identitäten.

Ohne vernünftige Mechanismen zur Identitätsfeststellung ist eine ganzheitliche Digitalisierung nicht möglich.

Blog3 Forschungsprojekt
Quelle: www.blog3.de

Blockchainwelt: Können wir mehr Informationen über das Forschungsprojekt BloG3 haben?

Elias: Im Forschungsprojekt BloG3 sind wir technischer Partner vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Projekt ist im Gesundheitswesen angesetzt, stellt den Patienten in den Mittelpunkt und will ihm die Kontrolle über seine Daten wiedergeben.

Über eine App kann der Nutzer sehen, welcher Arzt oder welche Klinik Daten über den Nutzer angelegt hat und mit wem sie geteilt wurden. In der App kann der Nutzer auch genau nachvollziehen, wem er seine Daten freigegeben hat.

Blockchainwelt: Wie ist der Stand heute in diesem Forschungsprojekt?

Elias: Es gibt einen Prototyp der BloG3 App. Parallel testen wir schon mit Patienten der Berliner Charité das Frontend und die App. In den kommenden Monaten soll das alles zusammengeführt werden. Der Bedarf ist riesig und das Potenzial wurde erkannt.

Blockchainwelt: Gibt es hinsichtlich der DSGVO Hürden bei der Umsetzung?

Elias: Ja, rechtlich ist das der anspruchsvollste Bereich bei der Digitalisierung. Die DSGVO ist vor allem bei medizinischen Daten sehr umfassend. Wir müssen sicherstellen, dass die Datensouveränität mit dem Datenschutz einhergeht.

Blockchainwelt: Ist denn Health euer eigentlicher Absatzmarkt?

Gunther: Der Fokus von CircularTree liegt in der Nachverfolgung und Bereitstellung von vertraulichen Daten im industriellen Umfeld. Das Forschungsprojekt mit sehr renommierten und kompetenten Partnern ist aber technologisch ein sehr interessantes Projekt und es gibt auf der technischen Ebene sehr viele Synergien.

Blockchainwelt: Sind alle Projekte im gleichen Entwicklungsstand oder gibt es eines, dass hauptsächlich promoted wird? Sind die Lösungen, die derzeit angeboten werden, alle voll entwickelt?

Gunther: Wir haben zum einen das Forschungsprojekt BloG3, das noch bis 2023 März läuft.

Außerdem arbeiten wir mit dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) zusammen. Zu der Organisation gehören Firmen wie Unilever, BASF, Nestlé, Total Energies und viele andere.

Die Aufgabe des WBCSD ist es, praktische Lösungen zu finden, um die Anforderungen, die aus dem politischen oder gesellschaftlichen Bereich kommen, umsetzen zu können.

Wir arbeiten mit dem WBCSD zusammen, um einheitliche Standards zu entwickeln. Diese werden in Pilotprojekten getestet.

Blockchainwelt: Wo liegen denn die Herausforderungen in der Entwicklung solcher einheitlicher Standards?

Gunther: Erstens brauchen wir eine einheitliche Berechnungslogik. Das heißt, wenn unterschiedliche Firmen den CO₂-Fußabdruck für das gleiche Produkt berechnen, müssen die CO₂-Werte auch vergleichbar sein. Dazu hat das WBCSD letzten November ein erstes Framework veröffentlicht.

Außerdem wollen wir bei CircularTree ein Ökosystem von unterschiedlichen Lösungsanbietern entwickeln, da in einer Lieferkette viele unterschiedliche Unternehmen beteiligt sind, die unterschiedliche Lösungen einsetzen. Dafür brauchen wir die Interoperabilität zwischen den unterschiedlichen Systemen der Lösungsanbieter.

Blockchainwelt: Welche Projekte stehen für die Zukunft an, gibt es eine Roadmap?

Gunther: Wir haben mit unserer CarbonBlock-Lösung, die wir erstmals mit Porsche, BASF und Motherson pilotiert haben, Pionierarbeit geleistet. Hierfür haben wir den Innovation-Award von STARTUP AUTOBAHN / Plug and Play gewonnen.

Unsere Vision ist ganz klar, dass wir weiterhin eine Vorreiterrolle in Bezug auf die CO₂-Transparenz in der Lieferkette leisten wollen und Unternehmen dabei unterstützen, ein CO₂-neutrales Portfolio anzubieten.

Blockchainwelt: Wie finanziert ihr euch?

Gunther: Ich habe mit meinem Bruder das Unternehmen gegründet und bisher finanzieren wir uns noch selbst. Aber wir haben natürlich auch Einnahmen aus dem Forschungsprojekt sowie über die Pilotprojekte. Insgesamt sind wir derzeit 4 Mitarbeiter.

Autor
Autorin

Stefanie Herrnberger ist als freiberufliche Referentin und Redakteurin tätig. Ihre langjährige berufliche Erfahrung im Bereich der Industrie 4.0, Digitalisierung und Blockchain bieten ihr den perfekten Background, um über Anwendungsfälle der Distributed-Ledger-Technologie in der globalen Industrie und Wirtschaft zu berichten.

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